Als Boris Johnson das Wort ergriff, las er seine Erklärung vom Blatt ab. Wirken seine Auftritte häufig improvisiert, schien diesmal jedes Wort genau überlegt, sogar seine strubbligen Haare waren gekämmt. „Hand aufs Herz, ich versichere Ihnen, dass ich das Parlament nicht angelogen habe“, sagte er. Er habe seine Aussagen in gutem Glauben gemacht und auf der Grundlage dessen, was er gewusst habe. „Wir dachten, wir machen nichts falsch.” Ob er die Wahrheit sagte, war am gestrigen Mittwoch die entscheidende Frage.
Der 58-Jährige verteidigte sich bei einer Anhörung im Parlament gegen den Vorwurf, dass er im Dezember 2021 bewusst gelogen hatte, als er behauptete, dass die Feiern und Treffen in der Downing Street im Jahr 2020 nicht gegen damals geltende Lockdown-Regeln verstießen. Wenn ihn das Komitee für schuldig befindet, könnte es das Ende seiner politischen Karriere bedeuten. Dementsprechend groß war die mediale Aufmerksamkeit. Britische Nachrichtensender übertrugen das Ereignis.
Johnson mit einem Getränk in der Hand umgeben von Mitarbeitern
Im Vorfeld legte der Untersuchungsausschuss auf 110 Seiten dar, warum er davon ausgeht, dass der Ex-Premier das Parlament bewusst in die Irre geführt hat. Die veröffentlichten Fotos gleichen sich. Meist sieht man Johnson mit einem Getränk in der Hand umgeben von Mitarbeitern. Mal prostet er ihnen zu, mal nicht. Belastend sind auch die Aussagen einiger Beamter. Demnach wusste er von den Partys und hätte sie beenden können.
Johnson räumte ein, dass er das Parlament zwar in die Irre geführt, dies jedoch nicht absichtlich getan habe. Er habe auf seine Berater gehört und sei überdies mit „schwierigen Herausforderungen“ beschäftigt gewesen. Er nahm auf die Pandemie Bezug. Die Fotos seien nicht bei Partys, sondern im Rahmen von Arbeitstreffen entstanden. „Meine Überzeugung war, dass wir die Richtlinien angesichts der Umstände nach bestem Wissen und Gewissen befolgten.” Immer Abstand zu halten sei schwierig gewesen, auch wegen der schmalen Gänge in der Downing Street. Der Ex-Premier geriet in der Anhörung immer mehr unter Druck. Schließlich zeigen die Bilder deutlich, dass die Mitarbeiter zu dicht beieinanderstanden.
Johnson droht die Suspendierung
Viele Briten verfolgten die Anhörung mit der Hoffnung auf Gerechtigkeit. Denn dass Johnson offenbar nicht den Regeln folgte, die er selbst aufgestellt hatte, ging vielen Menschen zu weit.
Der Ausschuss könnte mehrere Wochen benötigen, bevor es eine Entscheidung trifft. Danach wird das Parlament über eine mögliche Strafe befinden. Im schlimmsten Fall droht dem 58-Jährigen der Verlust seines Mandats.