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Grenzkontrollen: Was bedeutet das für Handel und Wirtschaft?

Mobilität

Logistiker warnen vor Verzögerungen durch Grenzkontrollen

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    In der Nacht zum Montag hat die Polizei mit der Kontrolle der deutschen Außengrenzen begonnen.
    In der Nacht zum Montag hat die Polizei mit der Kontrolle der deutschen Außengrenzen begonnen. Foto: Harald Tittel, dpa

    In der Nacht zum Montag hat die Polizei Grenzkontrollen an allen deutschen Außengrenzen aufgenommen. Laut Bundespolizei treten Beamte uniformiert sowie in Zivil auf und kontrollieren den Personenverkehr und Warentransporte gleichermaßen. Das Verkehrschaos blieb aus. Auch aus der Wirtschaft sind keine größeren Beeinträchtigungen bekannt geworden. So sagte etwa ein Sprecher des Autoherstellers Audi unserer Redaktion: „Wir beobachten die Situation. Aktuell haben die Grenzkontrollen jedoch keine Auswirkungen auf unsere Abläufe.“ Trotzdem werden warnende Stimmen laut.

    Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ordnete die stationären Kontrollen an allen Außengrenzen Deutschlands vergangene Woche an - zunächst auf sechs Monate beschränkt. Damit sollen Personen, die nicht einreiseberechtigt sind, schneller zurückgewiesen werden können. Neben Pendlern und Reisenden beeinträchtigt diese Maßnahme auch Spediteure, den freien Warenverkehr per Lkw und damit die Lieferketten innerhalb Europas.

    Stichprobenartige Kontrollen an allen Außengrenzen möglich

    Stationäre Grenzkontrollen an den Binnengrenzen von EU-Mitgliedstaaten wurden eigentlich mit dem Schengener Abkommen abgeschafft. Darauf verlassen sich deutsche Unternehmen und die Logistikbranche. Letztere basiere „auf dem freien zwischenstaatlichen Warenverkehr, der durch EU-Recht auch weiterhin unbedingt geschützt bleiben muss“, sagt Frank Huster, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Spedition und Logistik (DSLV).

    Wer seit Montag nach Deutschland einreisen will, muss sich darauf einstellen, dass die Polizei den Personalausweis oder den Reisepass sehen möchte. Laut Bundesverkehrsministerium können Straßen, Schienen und Binnenschiffe kontrolliert werden. Dabei sollen die Beamten – wie bisher schon an den Grenzen im Osten und Süden Deutschlands – stichprobenartig vorgehen.

    Neben der Personenkontrolle der Lkw-Fahrer sind die Polizisten auch angehalten, die Ladeflächen zu kontrollieren. Welche Auswirkungen das auf in Deutschland operierende Logistikunternehmen hat, ist derzeit nicht abschätzbar. Dem Pressesprecher des international agierenden Logistikunternehmens Dachser lagen am ersten Tag der neuen Grenzkontrollen „keine Meldungen über Beeinträchtigungen oder Einschränkungen im Warenverkehr vor.“

    DSLV-Geschäftsführer Huster: „Schlagbäume in Europa wären verheerend für den freien Warenverkehr“

    Der Wirtschaftsstandort Deutschland lebt von offenen Grenzen. DSLV-Geschäftsführer Huster gibt zu bedenken, dass die Straßenkontrollen auch Grenzpendler betreffen, die etwa in deutschen Logistikanlagen arbeiten. Er schließt nicht aus, dass die Kontrollen Verzögerungen in den Produktions- und Lieferabläufen und Kostensteigerungen für Unternehmen und Kunden bedeuten können. Zum jetzigen Zeitpunkt seien die Folgen für die Logistikbranche laut Huster nicht quantifizierbar.

    Jana Lovell, Abteilungsleiterin International der IHK Schwaben, pflichtet dem bei: „Bei der engen wirtschaftlichen Verflechtung werden Verzögerungen aufgrund von Grenzkontrollen in jedem Fall spürbar – für Unternehmen und je nach Ausmaß der Einschränkungen auch für Kunden.“

    Die Erfahrungen der Coronakrise haben gezeigt, wie Einschränkungen beim freien Warenverkehr die Konjunktur belasten können. „Die Kontrollen erhöhen zudem die Lagerkosten vieler Betriebe, Just-in-time-Lieferungen werden schwieriger. All das ist in konjunkturell angespannten Zeiten eine weitere Belastung für die Wirtschaft“, betont auch der Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) Volker Treier.

    Sorge bereitet DSLV-Geschäftsführer Huster zudem, dass andere EU-Mitgliedstaaten als Reaktion beginnen könnten, ihrerseits Grenzkontrollen durchzuführen. „Eine Rückkehr zu Schlagbäumen in Europa wäre verheerend für den freien Warenverkehr und für den Binnenmarkt“, sagt Huster.

    Neue Kontrollen werden an den westlichen und nördlichen Grenzen Deutschlands durchgeführt

    Grenzkontrollen innerhalb des Schengen-Raums, zu dem die meisten EU-Staaten gehören, müssen bei der EU-Kommission angemeldet werden. Deutschland hat das für den Zeitraum bis zum 15. März 2025 getan. Auch die bereits bestehenden Grenzkontrollen zu Polen, Tschechien und der Schweiz sollen über die angemeldete Frist bis Mitte Dezember hinaus verlängert werden. An der Grenze zu Österreich gibt es die Kontrollen, die mit der Eindämmung irregulärer Migration und Kriminalität begründet werden, bereits seit September 2015. Die Niederlassung Südbayern der Autobahn-Gesellschaft des Bundes sieht daher keine Probleme in Bezug auf die neuen Kontrollen.

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    1 Kommentar
    Wolfgang Boeldt

    In Deutschland passieren täglich mehr als 100.000 LKWs die Grenzen. Sehr konservativ (von mir) geschätzt könnten Wartezeiten von durchschnittlich 15 Minuten entstehen (manchde rechnen, wie zu lesen ist, mindestens mit dem Doppelten). Die Kosten/Fahrer/Fahrzeug/später ankommenden Waren/... kann sich jeder leicht errechnen.

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