Jim Krier hält von den angekündigten Kontrollen an den deutschen Grenzen ab diesem Montag gar nichts. «Es ist verrückt», sagt der Luxemburger. Er war im Juni 1985 in Schengen als Gemeinderatsmitglied dabei, als auf dem Schiff «MS Princesse Marie-Astrid» das Abkommen für ein Europa ohne Grenzkontrollen unterzeichnet wurde. «Die guten Dinge werden wieder zurückgedreht. Das ist sehr, sehr schlimm», sagte der 73-Jährige in Schengen.
Michel Gloden ist Bürgermeister des symbolträchtigen luxemburgischen Ortes im Dreiländereck zu Deutschland und Frankreich, dessen Name für eine der größten Errungenschaften der Europäischen Union steht: grenzenloses Reisen. «Es ist klar, dass wir keine Grenzkontrollen begrüßen», sagte er. «Wir haben so viele Pendler, den lokalen Handel in Luxemburg oder in Deutschland. Und das wird alles beeinträchtigt.» Heute gehören 29 Länder mit rund 420 Millionen Menschen zum Schengen-Raum.
Der 52-Jährige hofft, dass die Kontrollen möglichst wenig das tägliche Leben in der Grenzregion beeinflussen. Bei den zuletzt angeordneten Kontrollen auf deutscher Seite während der Fußball-EM im Sommer habe es teils kilometerlange Staus gegeben. «Da haben Pendler den ganzen Tag in Luxemburg gearbeitet, fahren abends nach Deutschland nach Hause und stehen eine Stunde im Stau.» Mehr als 50.000 deutsche Grenzgänger arbeiten in Luxemburg.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat ab diesen Montag (16. September) für zunächst sechs Monate Kontrollen an allen deutschen Landgrenzen angeordnet. Ein Ziel ist, die Zahl unerlaubter Einreisen von Migranten einzudämmen.
Kritik von Jean-Claude Juncker
«Ich bin kein Freund von Grenzkontrollen, weil sie mit massiven Unannehmlichkeiten für die Pendler verbunden sind», sagte der frühere EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. «Wenn es Kontrollen geben muss, dann wären mobile statt stationäre Kontrollen nicht an der Grenze, sondern im Hinterland weniger schwierig für Betroffene», mahnt der Luxemburger. «Dass man jetzt ohne viel Federlesen die Errungenschaft der europäischen Integration zur Disposition stellt, das macht mich schon besorgt.» Es dürfe nicht sein, «dass man wieder in den Köpfen und in den Herzen der Menschen Grenzen entstehen lässt».
Schlechte Erinnerung an Corona-Pandemie
«Wenn man von Grenzkontrollen hört, dann verbindet man gleich noch mal die Situation mit Corona», sagte Ralf Uhlenbruch, Bürgermeister der saarländischen Gemeinde Perl auf der gegenüberliegenden Moselseite von Schengen. Im Frühjahr 2020 hatte Deutschland zur Eindämmung des Coronavirus etliche Grenzübergänge zu Frankreich und Luxemburg geschlossen. So etwas dürfte sich nie wiederholen, sagte er.
Gelebtes Europa im Kleinen
Es gebe täglich Tausende Pendler, die aus Perl nach Luxemburg zur Arbeit führen. Viele Kinder aus Frankreich und Luxemburg kämen nach Perl zur Schule. Und auch zum Einkaufen und Tanken geht es täglich über Grenzen. «Es ist etwas anderes, wenn ich hier im Dreiländereck eine Kontrolle mache als in Gebieten, in denen Lebensräume und Bildungssystem nicht so aufeinander abgestimmt sind», beklagt der Perler Bürgermeister.
Seit Oktober 2023 gibt es in Deutschland stationäre Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz. An der deutsch-österreichischen Landgrenze wird schon seit September 2015 kontrolliert. Die neuen Kontrollen direkt an der Grenze betreffen die Landgrenzen zu Dänemark, Belgien, den Niederlanden und Luxemburg.
Schengen nicht in Gefahr
Auch andere Länder im Schengenraum führen wieder Grenzkontrollen durch. Bürgermeister Gloden sieht «Schengen» dennoch nicht gefährdet. «Die Menschen erkennen doch, dass das Leben in Europa mit dieser Errungenschaft viel, viel leichter ist.» Aus der ganzen Welt kämen Menschen nach Schengen. «Es gibt nur ein Dorf, das bekannter ist als Schengen - und das ist Bethlehem», sagt er. Die Leute, die etwa aus Afrika nach Schengen kämen, würden sagen: «Ihr habt keine Ahnung, was für ein Glück Ihr habt! Einfach so über Grenzen zu reisen.»
2025 wird in Schengen groß gefeiert - zum 40-jährigen Bestehen des Abkommens. Am 14. Juni 1985 hatten Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Belgien und die Niederlande an Bord des Schiffes den schrittweisen Abbau der Grenzkontrollen vereinbart. Heute gehören 29 Länder zum Schengen-Raum.
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