Frau Göring-Eckardt, als Vizepräsidentin des Bundestags sind Sie für die Leitung der Parlamentssitzungen zuständig. Wird dort bis zur Neuwahl im Februar überhaupt noch Politik gemacht?
Katrin Göring-Eckardt: Ja, absolut. Der Bundestag ist vollständig handlungsfähig. Es wird debattiert und hoffentlich ab kommender Woche wieder abgestimmt. Voraussetzung ist, dass alle mitmachen, die mitmachen wollen. Es geht jetzt darum, den Menschen im Land Sicherheit zu geben. Dafür braucht es Mehrheiten. Unsere Hand bleibt bis zum Schluss ausgestreckt. Die Union wollte erst nach der Vertrauensfrage des Kanzlers kommende Woche wieder in Gespräche einsteigen. Ich bin zuversichtlich, dass wir uns als demokratische Fraktionen noch auf einige wichtige Projekte verständigen können.
Besteht die Gefahr, dass der Bundestag in den letzten Wochen nur noch zur Wahlkampfbühne wird, und was würde das für das Parlament bedeuten?
Göring-Eckardt: Das Parlament ist der zentrale Ort politischer Auseinandersetzung. Es ist gut und richtig, dass die Fraktionen des Bundestages dort ihre Positionen vertreten und sich der Gegenrede stellen. Ebenso wichtig ist es, dass die Debatten die Themen aufgreifen, die den Wahlkampf prägen. So wird für die Wählerinnen und Wähler nachvollziehbar, wo die Parteien stehen, welche Ziele sie verfolgen und welche Positionen sie vertreten. Können wir dabei trotzdem konstruktiv miteinander arbeiten? Ja, denn das eine schließt das andere nicht aus.
Wenn Sie jetzt weniger als Parteipolitikerin, sondern als Vizeparlamentspräsidentin denken – was kann oder soll das Parlament noch bis zu den Neuwahlen debattieren und beschließen?
Göring-Eckardt: Es gibt eine Reihe von Themen, die ich für besonders wichtig halte: ganz besonders der Schutz des Verfassungsgerichts und zum Beispiel die Verlängerung der Mietpreisbremse oder die Erhöhung des Kindergeldes. Gerade vor Weihnachten und im Vorfeld einer Wahl wären solche Maßnahmen ein starkes Signal. Ein weiteres Beispiel für wichtige Themen ist die Filmförderung. Die Branche ist für Deutschland nicht nur kulturell wertvoll, sondern auch wirtschaftlich bedeutsam, weil dort mehr als 100.000 Arbeitsplätze dranhängen. Diese Maßnahmen sollten vorangebracht werden, und zwar unabhängig vom Wahlkampf, denn sie schaffen Sicherheit und Perspektiven für die Menschen im Land. Man könnte die Liste an Themen weiter fortsetzen.
Sie haben das Paket zum Schutz der Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts schon angesprochen. Wann genau könnte darüber abgestimmt werden?
Göring-Eckardt: Ich betätige mich nicht gerne als Prophetin. Die Union hat die Vertrauensfrage zur Bedingung für gemeinsame Initiativen gemacht. Gespräche sind damit ab der kommenden Woche möglich. Wenn alles gut läuft, könnten wir das Paket zum Schutz des Verfassungsgerichts im Januar im Bundestag abschließen.
Halten Sie eine freie Abstimmung über ein AfD-Verbotsverfahren in der jetzigen Wahlkampfphase für sinnvoll?
Göring-Eckardt: Der Bundestag sollte den Antrag für ein AfD-Verbotsverfahren so schnell wie möglich debattieren. Und aus meiner Sicht auch beschließen. Als Mitglied eines Verfassungsorgans und Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags ist es meine Pflicht hinzuschauen, wenn eine Partei unsere Demokratie mit Füßen tritt und die Würde von Menschen ganz offensiv in Frage stellt. Man kann sich anschauen, wie die AfD im Bundestag agiert. Das Parlament ist für die AfD nur die Hintergrundtapete für ihre hetzenden Social-Media-Clips. Das hat nichts mit parlamentarischer Arbeit zu tun. Dass die AfD sich selbst nicht über den Weg traut, sieht man auch daran, dass sie gerade halbherzig versucht, auf Distanz zu ihrer rechtsextremen Jugendorganisation zu gehen.
Sie sind seit über 25 Jahren Mitglied des Bundestags. Im vergangenen Jahr wurden AfD-Abgeordnete 30-mal ermahnt und erhielten mehr als die Hälfte der 51 Ordnungsrufe. In der gesamten Legislaturperiode von 2017 bis 2021 gab es nur 49. Was hat sich verändert?
Göring-Eckardt: Die Debattenkultur hat sich seit dem Einzug der AfD in den Bundestag teils dramatisch verschlechtert. Wir hören Bemerkungen von der AfD, die weit jenseits dessen sind, was Demokratinnen und Demokraten sich zumuten sollten. Statt konstruktiver Diskussion im Parlament geht es manchen AfD-Vertretern nur darum, sich vor der Kamera zu inszenieren. Sie attackieren Geflüchtete und Frauen, gehen Kolleginnen aufgrund ihrer Kleidung an. Manche AfD-Abgeordnete sammeln Ordnungsrufe wie Trophäen. Das hat nichts mit parlamentarischer Kultur zu tun und spiegelt eine Abwärtsspirale der Debattenkultur des Landes wider.
Wie gehen Sie damit um, welchen Ansatz verfolgen Sie?
Göring-Eckardt: Wenn es im Parlament Störungen gibt, ahnde ich diese. Je nach Schwere des Vorfalls mit einem Ordnungsruf oder auch einem Ordnungsgeld. Die Ordnungsgelder scheinen für die AfD inzwischen empfindlicher zu wirken als früher. Wenn ich persönlich beleidigt werde, egal auf welcher Plattform, dann wehre ich mich. Auch durch Strafanzeigen. Es ist wichtig, ein klares Zeichen zu setzen, dass solche Angriffe nicht toleriert werden.
Hat ihr Vorschlag von 2022, das Amt eines Parlamentspoeten einzuführen, mit diesem sprachlichen Sittenverfall zu tun?
Göring-Eckardt: Künstlerinnen und Künstler traten mit diesem Vorschlag an mich heran. Der Gedanke, parlamentarische Vorgänge poetisch aufzubereiten, gefiel mir. Der Vorstoß kam allerdings kurz vor dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. In schwerer Zeit wirkte die Idee zu leicht. Ich freue mich, dass wir sie aber anders umsetzen konnten: Im September 2023 traten junge Poetinnen und Poeten im Bundestag auf. Sie präsentierten ihre starken Texte unter dem Motto „Wenn Poesie politisch wird“. Das war eine tolle Lyriklesung. So ein literarischer Blick tut dem Parlament gut. Dafür stehen auch Gedichte, die in meinem Büro als Kunstwerke an der Wand hängen.
Wie nervenaufreibend ist der Parlamentsbetrieb?
Göring-Eckardt: Es ist ärgerlich, wenn Debatten geführt werden, die nichts mit der Sache zu tun haben. Oder wenn das BSW zwar in Talkshows auftritt, aber im Parlament fehlt. Es fällt immer wieder bei Abstimmungen auf, dass niemand vom BSW daran teilnimmt. Ich frage mich dann manchmal, warum wollen die eigentlich unbedingt wieder in den Bundestag? Sie sind doch eh nicht da. Und es ist ärgerlich, wenn die AfD das Parlament für ihre Zwecke missbraucht. Trotzdem ist das meine Arbeit und ich mache sie unglaublich gerne. Das Parlament ist ein großartiger Ort für Debatten und für mich ein enormes Privileg, dabei zu sein und mitdiskutieren zu können.
Treten Sie 2025 nochmal an? Können Sie sich vorstellen, auch in der kommenden Legislaturperiode einen Posten im Präsidium zu übernehmen?
Göring-Eckardt: Ja, ich trete noch einmal an. Ich mache den Job als Vizepräsidentin sehr gerne. Doch jetzt gehen wir erstmal in den Wahlkampf.
Sie begannen ihre politischen Anfänge in der Endphase der DDR im „Demokratischen Aufbruch“ und kamen in Thüringen über „Bündnis 90“ zu den Grünen. Auch nach drei Jahrzehnten Wiedervereinigung unterscheidet sich das Wahlverhalten zwischen Ost und West mehr denn je. Wie erklären Sie sich das?
Göring-Eckardt: Das Wahlverhalten unterscheidet sich nicht nur zwischen West und Ost, sondern auch zwischen Stadt und Land. Auch in Bayern gibt es ländliche Regionen, die vergleichbar sind mit denen in Thüringen. Ein Teil der Ostdeutschen fühlt sich auch Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung wie Bürger zweiter Klasse. Mit ihrer Wahl wollen sie ein Signal senden, dass Dinge nicht in Ordnung sind. Mit denen muss man im Gespräch bleiben. Doch es gibt auch Leute, die trotz der deutschen Geschichte Rechtsextreme und Populisten wählen wollen. Die demokratischen Parteien dürfen dabei nicht dem Fehler verfallen, populistische Positionen zu übernehmen. Denn am Ende wählen die Menschen das Original.
Zur Person: Katrin Göring-Eckardt ist seit 2021 Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages. Ein Amt, das sie bereits von 2005 bis 2013 innehatte. Die 58-Jährige war zuvor von 2002 bis 2005 und von 2013 bis 2021 eine der Grünen-Bundestagsfraktionschefinnen.
Vielleich sollten die Grünen sich mal eine Bundestagssitzung hinterher ansehen.. wer da rein ruft und wer nur abgemahnt wird.. Es ist alles nur noch billige Rhetorik die aus den anderen Parteien kommt, mir fehlt inzwischen Selbstreflektion bei den Grünen, SPD, CDU/CSU, FDP.. Man kann hören und sehen dass die "Betonung auf "Demokratischen" " Parteien, Lügen mit Lügen bekämpfen. Gestern bei Maischberger hat sich die Moderatorin und CDU Amthor mit billigsten Populismus und Unwahrheiten an der AFD Politikerin von Storch abgearbeitet.. Es war das selbe wie immer, Kindergartengeschwätz und AFD Dresche. In solch einer Zeit in der die Menschen nicht wissen was Morgen ist, alles kaputt geht, die Zukunft Deutschlands am Abgrund steht.. reden sich diese Politiker ihre desolate Politik schön, indem sie dafür einen Schuldigen ausmachen.. Es fehlt diesen Politiker an Verantwortung und Wertigkeit in ihrem Tun. Dass die Medien sowas mitmachen, begreife ich nicht, dafür ist die Lage viel zu Ernst.
>>Es fehlt diesen Politiker an Verantwortung und Wertigkeit in ihrem Tun. << Wenn Sie damit die Leute von der AfD meinen, dann widerspreche ich Ihnen nicht. Aber Ihr Gesamtbeitrag lässt leider eher darauf schließen, dass Sie Ihr eigenes denken an die AfD übergeben haben.
>>In solch einer Zeit in der die Menschen nicht wissen was Morgen ist, …<< Doch, morgen versinkt Deutschland im Bürgerkrieg, Menschen plündern und rauben wahllos Supermärkte… Sie übertreiben maßlos, werte Marianne, und die von Storch hat gestern das abbekommen, was sie verdient.
Frau Böhm, nur weil SIE sich wünschen würden dass Deutschland morgen untergeht - damit ihre AFD schergen es wie ab 1933 wirklich durchziehen können - brauchen Sie uns nicht ihren Blödsinn überall aufzubürden. Wenn unser Land so schlimm ist, dann hauen Sie doch ab und nehmen Sie die Höckes, Gaulands und Storchs mit, baut euch euren AFDstan irgendwo auf, wo ihr keine normalen Menschen damit belästigt. Da könnt ihr dann gerne in Untergangsfetischismus schwelgen während alle anderen hier ein schöneres, glücklicheres Leben führen.
Marianne Böhm >>Vielleich sollten die Grünen sich mal eine Bundestagssitzung hinterher ansehen.. wer da rein ruft und wer nur abgemahnt wird...<< Frau Böhm, Zwischenrufe sind im Parlament zulässig - machen die Sitzungen lebendig. Doch sie dürfen nicht unanständig und beleidigend sein. Dann wird man zur Ordnung gerufen. Schade, dass Sie als AFD-Anhängerin sich nicht erst informieren bevor Sie sich hier meinungsstark äußern.
Ich weiß nicht was Frau von Storch verdient.. es ist nicht meine Aufgabe Beleidigungen egal von oder gegen wen, gut zu finden.. Ich denke dass mein Denken meiner eigenen Verantwortung unterliegt solange ich keinen diskreditiere.. und ich kann immer noch in den Spiegel gucken ohne die zu verachten die ich darin sehe.. !
>>Vielleich sollten die Grünen sich mal eine Bundestagssitzung hinterher ansehen..<< Im Gegensatz zu Ihnen (wahrscheinlich) war schon mal live und in Farbe bei einer persönlich dabei und kann Ihre Unterstellung, die Sie hier unterschwellig verbreiten, nicht bestätigen.
Realitätsleugnung in Vollendung
Da muss ich Ihnen Recht geben: "Vielleich sollten die Grünen sich mal eine Bundestagssitzung hinterher ansehen.. wer da rein ruft und wer nur abgemahnt wird." Jetzt bin ich wahrscheinlich auch ein AFD-Fanboy
Vermuzlich gibt es nur Zwischenrufe von den AFD-Abgeordneten. Die anderen sind dann entweder gar nicht anwesend oder intensiv mit ihren Smartphones beschäftigt.
Sehe ich so. Es sollte eine Anwesenheitspflicht und ein Smartphoneverbot geben. Da fragt man sich weshalb wir 733 Abgeordnete brauchen, wenn meistens nur die ersten drei Reihen besetzt sind. Mir soll keiner damit kommen, dass sie alle in irgendwelchen Ausschüssen sitzen.
Respekt, Göring-Eckhardts beurteilt was gut, böse, richtig und falsch ist. Solch eine Borniertheit spricht für sich.
Aber das ursprünglich die Grünen andere Parteien jagen und nicht die AfD, das wusste sie nicht.
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