Wahlforscher haben in den vergangenen Jahren viel gelitten. Zu oft lagen sie zu weit daneben mit ihren Umfragen. Wobei nie die von ihnen immer wieder vertretene Meinung widerlegt wurde, dass die Persönlichkeiten der Kandidaten bedeutender sei als das Wahlprogramm. Dabei ist der Gegenbeweis offensichtlich: Merz, Scholz, Söder. Wären für die Wahlentscheidung tatsächlich Charaktermerkmale ausschlaggebend, sähen die Parlamente anders aus. Sympathie und Humor spielen aber nur eine nachrangige Rolle. Das betrifft die meisten Gesellschaftsbereiche. Wenn man nicht gerade für jene Zeitung arbeitet, die Sie - werte Leserinnen, werter Leser - in Händen halten, kann so ein Chef reichlich ekelalfredesk auftreten. Im Sport sind es auch nicht die sympathischen Außenseiter, die an der Tabellenspitze stehen. Sondern die Bayern.
Womit wir bei Gregor Gysi angelangt wären. Der hat mit dem FC Bayern wenig zu tun. Seine Partei ist so etwas wie der VfL Bochum des Bundestags. Die Linke steht kurz vor dem Abstieg. Gysi aber ist äußerst beliebt - vor allem bei den jungen Menschen. Auf Tik Tok hat er sich eine große Fangemeinde erpostet. Von einigen Usern wird er als „Süßmaus“ bezeichnet. Am entgegengesetzten Ende des politischen Lagers befindet sich Christian Lindner in ähnlicher Abstiegsangst. Was ihn sonst mit Gysi eint, sind rhetorische Fähigkeiten. Als er bei einer Spendengala aufgefordert wurde, sein Konto ein wenig zu erleichtern, erwiderte er: „Sie kennen doch meine berufliche Situation.“ Und spendete schließlich 4000 Euro. Schon nett. Bringt halt nur keine Stimmen. Am Ende schafft man sich als Beschützer keine Süßmaus, sondern einen Rottweiler an. Vorteil Merz.
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