Es gehört zum Wesen des Karmas, dass es nachtragend ist. Es hat etwas Elefantenhaftes. Unter den spirituellen Gaben an die Menschheit ist das Karma so etwas wie der kleinkarierte Onkel, der beim Familienfest noch nach 20 Jahren die Geschichte erzählt, wie Tante Erna einmal fast einen Kratzer ins Auto gemacht hat und deshalb nicht mehr ans Steuer darf. Das Karma vergisst nicht. Und es hat Geduld, ein Gespür für den richtigen Augenblick. Diese Erfahrung musste nun auch der frühere britische Premierminister machen.
Boris Johnson hat das Wahlgesetz selbst erlassen
Dessen Leben ist ja ohnehin eines, das auf Außenstehende bisweilen wie eine Aneinanderreihung von Anekdoten wirkt. Doch manchmal, da machte er auch ernsthafte Politik – selbst, wenn das manchen Briten dann auch wieder nicht recht war. Zwei Jahre jedenfalls ist es her, dass Boris Johnson ein Gesetz erlassen hat, das den Menschen auf der Insel vorschrieb, sich bei Wahlen stets mit einem offiziellen Foto-Dokument wie Reisepass oder Führerschein auszuweisen. Doch zu den hervorstechenden Charakter-Eigenschaften Johnsons zählte schon immer die subversive Neigung, zu glauben, dass Gesetze eher etwas für die breite Masse sind und weniger für sich selbst. Alkoholgeschwängerte Nächte während des Corona-Lockdowns zeugen bis heute davon.
Im Fall der Pandemie-Partys kam Johnson glimpflich davon. Doch mit Blick auf das Wahlgesetz holte sein Karma zur ultimativen Pointe aus: Weil ausgerechnet Johnson ohne Ausweis im Wahllokal erschien, wurde er wieder nach Hause geschickt. „Die Mitarbeiter des Wahllokals waren gezwungen, den ehemaligen Premierminister abzuweisen, nachdem er zunächst nicht die Gesetzgebung befolgt hatte, die er während seiner Amtszeit in der Downing Street eingeführt hatte“, berichtete der Sender Sky News trocken.