Ein Thema ist es seit vielen Jahren, Kritik kommt von allen Seiten – und doch ändert sich in der Praxis nur wenig: Noch immer gibt es eine gewaltige Lücke zwischen dem, was Männer und was Frauen verdienen. Bei 18 Prozent lag diese sogenannte „Gender Pay Gap“ im Jahr 2022, wie das Statistische Bundesamt ausgerechnet hat. Frauen haben einen durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von 20,05 Euro, Männer kommen 24,36 Euro. „Im langfristigen Vergleich sank der unbereinigte Gender Pay Gap: Zu Beginn der Messung im Jahr 2006 betrug der geschlechterspezifische Verdienstabstand noch 23 Prozent“, so die Analyse der Statistiker. Die „Gender Pay Gap“ in Ostdeutschland ist dabei deutlich kleiner als in Westdeutschland – dort liegt sie nur bei 7 Prozent, in Westdeutschland bei 19 Prozent (2006: Ostdeutschland: 6 Prozent, Westdeutschland: 24 Prozent).
Gender Pay Gap lag 2022 bei 18 Prozent
Einer der Hauptgründe für die Gehaltslücke ist die Bezahlung in den unterschiedlichen Branchen: Frauen suchen sich häufiger Berufe, in denen die Verdienstmöglichkeiten geringer sind – anders gesagt: typische Frauenberufe werden schlechter bezahlt. „Zum anderen arbeiten Frauen häufiger in Teilzeit, was auch mit geringeren durchschnittlichen Bruttostundenverdiensten einhergeht“, so die Statistiker. Mit diesen Fakten lässt sich in 63 Prozent der Fälle der finanzielle Unterschied erklären. In 37 Prozent der Fälle gibt es hingegen keinen schlüssigen Grund für die unterschiedliche Bezahlung.
Die Experten sprechen in diesem Fall von einer bereinigten Gender Pay Gap, die bei 7 Prozent liegt. „Demnach verdienten Arbeitnehmerinnen im Durchschnitt auch bei vergleichbarer Tätigkeit, Qualifikation und Erwerbsbiografie im Berichtsjahr 2022 pro Stunde 7 Prozent weniger als Männer (Westdeutschland: 6 Prozent, Ostdeutschland: 9 Prozent).“ Die Statistiker vermuten, dass der tatsächliche Wert sogar noch leicht niedriger liegt, weil etwa nicht berücksichtigt werde, wenn Frauen eine Pause einlegen, etwa wenn sie schwanger sind oder sie Angehörige pflegen.
Bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie nötig
Deutschland liegt mit seiner Lohnlücke im europäischen Vergleich im Durchschnitt. Besser sieht es in vielen skandinavischen Ländern aus. Eine Studie des DIW Berlin zeigte einen Zusammenhang zwischen hohen Frauenerwerbsquoten und niedrigen Lohnlücken. „Länder mit starkem gleichstellungspolitischem Fokus bei Familien- und Steuerpolitik haben hohe Erwerbsquoten und relativ niedrige Lohnlücken“, so das Ergebnis einer Studie.
Die KfW-Bankengruppe hat ausgerechnet, dass Frauen noch etwa 30 Jahre brauchen, um die Lohnlücke zu schließen, wenn der Fortschritt das Tempo der vergangenen Jahre beibehält. Und das, obwohl der Anteil von Frauen in (besser bezahlten) Leitungspositionen gewachsen ist. Im Jahr 2010 arbeiteten Frauen im produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich in 8 Prozent der Fälle in einer Leitungsfunktion, im Jahr 2020 waren es immerhin 10 Prozent. „Für die weitere Verbesserung der Chancengleichheit von Frauen bei Einkommen und Karriere bedarf es Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, raten auch die Experten der KfW.
In Kitas und Krankenhäusern werden Fachkräfte fehlen
Auch der Abbau von Vorurteilen und Rollenmustern könne helfen. „Man muss ein höheres Gehalt oder den Aufstieg in eine Führungsposition wollen, man muss es sich zutrauen und man muss das Nötige dafür tun. Dafür braucht es mentale Eigenschaften wie Motivation, Eigeninitiative, Beharrlichkeit, Selbstbewusstsein, Mut, soziale Kompetenzen und – damit etwas Gutes dabei herauskommt – auch Werte und Normen, die den Mitmenschen und der Umwelt zuträglich sind“, so die Untersuchung.
Gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels stellt sich die Frage nach weiblichen Führungskräften für viele Unternehmen auch aus ganz praktischen Gründen. Vor allem in Krankenhäusern und Kitas werden in den kommenden Jahren Fachkräfte fehlen. Auf eine große Personalnot steuern auch Betriebe aus dem Bauwesen und dem Handwerk hin - allen voran aus der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik. Sie müssen in den kommenden Jahren etwa den energetischen Umbau vieler Eigenheime stemmen.
Vielen Branchen fehlen weibliche Fachkräfte
Welche Folgen ein niedriger Frauenanteil hat, zeigt ein Blick auf die Tech-Branche. Nur wenige Frauen entscheiden sich für den Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Die Misere bremst inzwischen sogar spürbar die wirtschaftliche Entwicklung aus, haben Forscher des Beratungsunternehmens McKinsey festgestellt. Bislang seien 22 Prozent der Arbeitsplätze in diesem Bereich in den EU-Mitgliedstaaten von Frauen besetzt. Gelänge es, den Frauenanteil in Tech-Rollen auf bis zu 45 Prozent im Jahr 2027 zu verdoppeln, könnte Europas Bruttoinlandsprodukt um 260 Milliarden bis 600 Milliarden Euro steigen.
Diese steigende Nachfrage könne in Europa durch den heutigen, überwiegend von Männern geprägten Talentpool nicht gedeckt werden. „Der Mangel an Geschlechterdiversität in Europas Technologielandschaft führt zu erheblichen Nachteilen für Beschäftigte, Innovation und die gesamte europäische Gesellschaft“, erklärte Mitverfasser Sven Blumberg. (mit dpa)