Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Gipfeltreffen: Klimagipfel der großen Worte und kleinen Gesten

Gipfeltreffen

Klimagipfel der großen Worte und kleinen Gesten

    • |
    Symbolik in Glasgow. Ein als Großbritanniens Premierminister Boris Johnson verkleideter Aktivist schüttet bei einer Protestaktion von Oxfam ein paar Tropfen Wasser auf den Globus, der auf einem lodernden Scheiterhaufen ruht.
    Symbolik in Glasgow. Ein als Großbritanniens Premierminister Boris Johnson verkleideter Aktivist schüttet bei einer Protestaktion von Oxfam ein paar Tropfen Wasser auf den Globus, der auf einem lodernden Scheiterhaufen ruht. Foto: Christoph Soeder, dpa

    „Wir haben euch genau an den Ort gebracht, an dem der Weltuntergang in Gang kam. 200 Jahre lang haben die Industrieländer das Problem, das sie schufen, völlig ignoriert. Nun haben wir die Pflicht, zu helfen.“ Diesen Satz wählte Boris Johnson anlässlich der Eröffnung der Weltklimakonferenz, bevor er zwei Tage später statt mit dem Zug mit einem Privat-Jet zurück nach London reiste. Im schottischen Glasgow, wo James Watt im 18. Jahrhundert mit der Verbesserung der Dampfmaschine die Industrialisierung in Gang gebracht hatte, wollte Großbritannien, gemeinsam mit 200 anderen Staaten, das „Ruder für die Welt rumreißen“, hieß es. Das Ziel: die Erwärmung der Erde auf „1,5 Grad“ bis zum Ende dieses Jahrhunderts zu reduzieren .

    Die ambitionierten Worte zum Auftakt, sie kamen für manchen Beobachter überraschend. Denn Boris Johnson galt lange als Klimawandel-Skeptiker. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass der Premierminister im Vorfeld des Gipfels die Hoffnungen auf eine positive Entwicklung gedämpft hatte. Er wählte dafür einen Vergleich aus der Welt des Fußballs: „Die Menschheit liegt zur Halbzeit 1:5 hinten. Wir haben die Möglichkeit auszugleichen – aber es wird eine Menge Kraft kosten.“ Insbesondere die harten Verhandlungen in der zweiten Woche der Weltklimakonferenz zeigten, dass er mit dieser Vorhersage nicht falsch lag.

    Entgegen aller Prognosen war das öffentliche Interesse gewaltig

    Ungeachtet der schlechten Prognosen war das Interesse von Journalisten, Aktivisten und Experten an der COP26 von Anfang an riesig. Die Stadt Glasgow hatte mit dem Ansturm von bis zu 40.000 Teilnehmern jedoch zu kämpfen. Gerade in den ersten Tagen kam es zu Verwirrung rund um den „Scottish Event Campus“. Viele irrten auf der Suche nach dem Eingang umher. Ein amerikanischer Journalist machte seinem Ärger atemlos Luft: „So was habe ich noch nie erlebt.“ Die Veranstalter entschuldigten sich per E-Mail: Man verzeichne „angesichts der Bedeutung der Bekämpfung des Klimawandels ein beispielloses Interesse an dieser Konferenz“. Die Schotten machten das Chaos jedoch schnell wieder wett – mit viel Einsatz und Charme. Schon ab dem zweiten Tag waren fast überall ehrenamtliche Helferinnen und Helfer im Einsatz, um den Teilnehmern beizustehen. „Glasgow hat im Vergleich zu Edinburgh eigentlich einen nicht so guten Ruf, aber jetzt haben wir so ein großes Event“, sagte die 37-jährige Lauren nicht ohne Stolz. Polizisten, Busfahrer und Bewohner Glasgows, sie alle waren freundlich und hilfsbereit, auch wenn sie wegen des Events selbst häufig Umwege fahren mussten, weil wieder mal irgendeine Straße gesperrt wurde.

    Ein herausforderndes Großereignis während der Pandemie

    Logistische Herausforderungen entstanden auch dadurch, dass dieses Großereignis während der Pandemie stattfand. Dies führte insbesondere in den frühen Morgenstunden zu Problemen. Dann standen Teilnehmer dicht an dicht in langen Schlangen vor Sicherheitskontrollen. Damit man das Gelände betreten durfte, musste man zwar einen negativen Corona-Test vorzeigen - allerdings in Form eines nicht fälschungssicheren Selbsttests. „Wir konnten jedoch bislang keinen Anstieg der Neuinfektionen feststellen“, sagte die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon diese Woche. „Aber es ist noch zu früh, um eine sichere Aussage zu treffen.“

    „Now“. Doch wann ist jetzt? Der Klimawandel ist längst da, doch die Weltgemeinschaft tut sich weiter schwer, sich auf effektive Konzepte zu einigen, um ihn erfolgreich zu bekämpfen .
    „Now“. Doch wann ist jetzt? Der Klimawandel ist längst da, doch die Weltgemeinschaft tut sich weiter schwer, sich auf effektive Konzepte zu einigen, um ihn erfolgreich zu bekämpfen . Foto: Christoph Soeder, dpa

    Während man bei der COP26 mit der Organisation überfordert war, fühlten sich viele Aktivisten von den Diskussionen ausgeschlossen. Am vergangenen Wochenende zogen rund 100.000 Menschen durch die Straßen von Glasgow. „Die Verschmutzer und Klima-Kriminellen verstecken sich hinter Stacheldraht und Zäunen“, sagte der Sprecher der Organisation „COP26-Coalition“ Asad Rehman. Wie er waren die meisten Redner frustriert. Viele äußerten ihre Zweifel daran, dass gut betuchte Politiker tatsächlich zugunsten der besonders vom Klimawandel betroffenen Menschen entscheiden werden.

    Auch der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan fand am Donnerstag bei seinem Besuch in Glasgow kritische Worte. Wie schon zuvor Boris Johnson machte auch er auf die besondere Verantwortung von Ländern wie Großbritannien aufmerksam. Zurück in London eröffnete Kahn am gestrigen Freitagabend das Weihnachtsgeschäft im Zentrum der Stadt – mit einer besonderen Überraschungsaktion für die Londoner Bürgerinnen und Bürger. Pünktlich um 18 Uhr ließ er über eine Million Lichter an historischen Gebäuden erleuchten: „world’s largest switch-on“, „das weltgrößte Einschalten“.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden