Dann ging es überraschend schnell. Die fünf Brics-Staaten Brasilien, Russland, China, Indien und Südafrika einigten sich am letzten Tag ihres Gipfeltreffens in Johannesburg auf eine für viele Analysten überraschend umfangreiche und schnelle Erweiterung ihres Bündnisses um sechs Länder. Peking hatte darauf angesichts des Handelsstreits mit den USA mit zunehmender Vehemenz gedrängt – und sich schließlich durchgesetzt. Die Einigung illustriert einmal mehr, wie sehr sich der Brics-Kosmos um das übermächtige China dreht.
In den vergangenen Jahren hatte vor allem Brasilien gebremst, auch in Indien und Südafrika war die Zustimmung zum Ausbau des exklusiven Klubs lange nicht so deutlich, wie es am Donnerstag den Anschein hatte. Nun aber steht fest, dass ab Januar 2024 Saudi-Arabien, Argentinien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Ägypten, Iran und Äthiopien als vollständige Mitglieder aufgenommen werden. Die Zahl der Brics-Staaten (oder wie man sie dann auch nennen wird) erhöht sich von fünf auf elf, in ihnen lebt dann knapp die Hälfte der Weltbevölkerung. Der Anteil am Kaufkraft-bereinigten globalen Bruttoinlandsprodukt erhöht sich auf 37 Prozent, deutlich mehr als das der westlichen G7-Industrienationen (rund 30 Prozent). In der 14 Jahre langen und eher informell geprägten Geschichte der Brics ist das ein beachtlicher Schritt.
Chinas Wirtschaftsmacht ist seit der Brics-Gründung enorm gewachsen
Das gilt besonders aus der Sicht Chinas, dessen Wirtschaft fünfmal größer als die des zweitgrößten Brics-Landes Indien ist. Sie wuchs seit Gründung der Gruppe weit schneller als die der anderen Mitgliedsstaaten. Künftig ist China als weltweit größter Öl-Importeur in einem Wirtschaftsblock mit dem wichtigsten Öl-Exporteur, Saudi-Arabien.
Die wirtschaftsstarken „Neuzugänge“ Saudi-Arabien und VAE werden der Brics-Entwicklungsbank (NDB) zudem mehr Gegengewicht zur Weltbank verschaffen. In den acht Jahren ihres Bestehens hat die NDB insgesamt lediglich Kredite in Höhe von einem Drittel des jährlichen Weltbank-Volumens vergeben. Peking hofft auch auf eine verstärkte Nutzung seiner Währung, dem Renminbi, innerhalb der Brics - insbesondere bei Rohstoffgeschäften mit den Saudis.
Chinas Staatschef Xi: "neuer Start für die Brics-Kooperation"
Denn darauf läuft die viel zitierte De-Dollarisierung der Brics in erster Linie hinaus. Die von Russland forcierte goldgedeckte Handelswährung ist in weiter Ferne. Die anderen Brics-Währungen sind überwiegend volatil. Es bleibt der Renminbi. Und das Versprechen auf mehr Handel in der vergrößerten Gruppe. Der wuchs zwar enorm unter den Brics-Staaten – allerdings auch das Handelsdefizit, das die Mitglieder gegenüber China erwirtschaften. Xi sprach am Donnerstag sichtlich zufrieden von einem „neuen Start für die Brics-Kooperation“.
Ähnlich euphorisch äußerten sich auch die anderen vier Regierungschefs. Am nachdenklichsten klangen noch die Worte des südafrikanischen Präsidenten Cyril Ramaphosa: Die Brics sind eine diverse Staatengruppe mit unterschiedlichen Perspektiven“, sagte er, nicht ohne die gewagte Behauptung nachzuschieben, die Mitgliedsstaaten würden die Vision für eine bessere Welt teilen.
Es ist zumindest noch recht unklar, wie sich Südafrikas liberale Verfassung und Ramaphosas bemerkenswerter Einsatz für internationale Frauenrechte in eine Vision mit Ländern wie Saudi-Arabien und Iran fügen könnten. Um den Beitritt Irans wurde am längsten diskutiert, bis in die Nacht zum Donnerstag. Russlands Despot Wladimir Putin, der wegen des Haftbefehls des Weltstrafgerichts nicht anreisen konnte, setzte seinen Wunschkandidaten schließlich durch.
Die inneren Spannungen dürften nach der Erweiterung eher steigen
Doch die inneren Spannungen in der Gruppe dürften steigen. Zur bisherigen Rivalität zwischen China und Indien gesellt sich die zwischen dem Iran und Saudi-Arabien sowie zwischen Ägypten und Äthiopien. Die Brics, oder wie auch immer sie ab dem kommenden Jahr genannt werden, könnten mit der Erweiterung eine stärkere Stimme bei Reformen der Global Governance sein, so Experte Daniel Bradlow von der Universität Pretoria. Etwa bei den UN, der Weltbank oder im Internationalen Währungsfonds. Aber sicher sei das keineswegs. „Es wird davon abhängen, ob die erweiterte Gruppe effektiver als die bisherige Brics-Vereinigung darin ist, eine Einigung darüber zu erzielen, wie diese Vereinbarungen umgesetzt werden sollten“, sagt Bradlow.
Die Staatengruppe ist seit jeher eine Zweckgemeinschaft aus Autokratien und Demokratien, deren Anteil nun gesunken ist und die nun noch mehr autokratischem Einfluss ausgesetzt sind. Welche Auswirkungen dieser Umstand in den nächsten Jahren haben wird, ist die spannende Frage.