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Gewalt in Deutschland: Jeden Tag gibt es ein Mordversuch an einer Frau

Gewalt in Deutschland

Jeden Tag gibt es ein Mordversuch an einer Frau

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    Das eigene Zuhause kann für Frauen ein gefährlicher Ort werden.
    Das eigene Zuhause kann für Frauen ein gefährlicher Ort werden. Foto: Bernhard Weizenegger (Archivbild)

    Jede Stunde erleiden in Deutschland im Schnitt 13 Frauen Gewalt. Beinahe täglich versucht ein Partner seine Partnerin oder seine Ex umzubringen. Das ist die Realität, wie sie sich aus der Polizeistatistik ableitet. Im vergangenen Jahr zählten die Behörden 143.600 Opfer – 80 Prozent Frauen, 20 Prozent Männer. 

    Das geht aus der neuen Auswertung des Bundeskriminalamtes zur Gewalt in Beziehungen hervor. "Wir dürfen Gewalt gegen Frauen niemals akzeptieren. Sondern wir müssen ihr geschlossen entgegentreten", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Donnerstag bei der Vorstellung des BKA-Berichts. 

    Viele Taten an Frauen werden nicht angezeigt

    Tatsächlich dürfte die Wirklichkeit noch brutaler sein, als es die amtlichen Zahlen ausdrücken. Der Chef des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, spricht von einem großen Dunkelfeld. Damit gemeint ist, dass Opfer von häuslicher Gewalt ihre Taten nicht anzeigen – weil es der eigene Mann ist und vielleicht der Vater der gemeinsamen Kinder. Oder weil es die eigene Frau ist und die Mutter der gemeinsamen Kinder. Münch macht das an einem Beispiel fest: Zwei Drittel der Opfer von Schwerstgewalt gehen nicht zur Polizei. "Wir brauchen eine belastbare Datenlage", betonte der BKA-Präsident und kündigte eine tiefergehende Studie zum Dunkelfeld an.

    Faeser und ihre Ministerkollegin Lisa Paus (Grüne), die für Frauen, Familie und Senioren zuständig ist, wollen nicht auf neue Zahlen warten, sondern den Schutz von Frauen schnell verbessern. Noch im November soll es einen runden Tisch geben mit den Ländern. Denn der Bund hat wenig zu sagen bei Polizei, Justiz und Hilfsangeboten. Frauenhäuser zum Beispiel, in die Bedrohte vor ihrem Partner fliehen können, hängen bei der Finanzierung von Ländern und Kommunen ab. 

    Familienministerin Lisa Paus (Grüne) und Innenministerin Nancy Faeser (SPD) wollen Frauen besser schützen, doch verfügen über wenig Handhabe.
    Familienministerin Lisa Paus (Grüne) und Innenministerin Nancy Faeser (SPD) wollen Frauen besser schützen, doch verfügen über wenig Handhabe. Foto: Leon Kuegeler, imago

    Die Leistungen sind oftmals freiwillig für den Staat und damit von der Haushaltslage bestimmt. "Unser Ziel: Jede Frau findet in ihrer näheren Umgebung einen sicheren Zufluchtsort", kündigte die Grünen-Politikerin an. Doch Paus wollte noch nicht sagen, wie sie das Leben für Frauen sicherer machen kann. Geld im Bundeshaushalt gibt es im kommenden Jahr lediglich für eine zwischenministerielle Koordinierungsstelle. 

    Zu wenige Plätze in Frauenhäusern

    In Deutschland gibt es rund 350 Frauenhäuser und 100 Schutzwohnungen. Ein Blick im Internet auf die Karte der Frauenhaus-Suche zeigt, dass aktuell eine deutliche Mehrheit der Einrichtungen niemanden mehr aufnehmen kann. Sie sind voll. Wie genau Paus ihr Ziel erreichen will, ließ sie wegen der bevorstehenden Gespräche mit den Ländern offen. Im Koalitionsvertrag hatten sich die Ampel-Parteien darauf verständigt, eine verlässliche Finanzierung der Frauenhäuser aufzubringen. 

    Derzeit reichen die Plätze nicht aus, Frauen in Not müssen abgewiesen werden. Der Mangel ist seit Jahren bekannt, ohne das bislang entschieden dagegen angegangen worden wäre. Parallel dazu nimmt die Gewalt in Partnerschaften zu, zumindest deutet die Polizeistatistik darauf hin. In den vergangenen fünf Jahren stieg die Zahl der erfassten Opfer von knapp 139.000 im Jahr 2017 auf die bereits genannten 143.600 in 2021. Allerdings waren es im Jahr davor sogar 148.000.

    Amtlichen Zahlen nach sind 35 Prozent der Tatverdächtigen Ausländer

    Dass die Coronapandemie mit geschlossenen Schulen und Freizeitangeboten zu mehr Gewalt geführt hat, lässt sich laut dem BKA aus den Daten nicht herauslesen. Die Leiterin des Frauenhilfstelefons, Petra Söchting, berichtete aber von 15 Prozent mehr Anrufen im ersten Coronajahr. 

    Eine ähnliche Notfallnummer gibt es auch für Männer, allerdings ist sie anders als das Frauenhilfstelefon nicht rund um die Uhr besetzt, sondern nur von Montag bis Freitag. Paus und Faeser haben indes keine konkreten Planungen, Männer besser vor häuslicher Gewalt zu schützen. Für sie haben die Frauen Priorität. Die Innenministerin will deshalb Gewalttäter und -täterinnen mit ausländischem Pass anschieben können. Wie genau das gelingen kann, konnte Faeser noch nicht erläutern. "Sie wissen ja, wie kompliziert das ist", sagte sie. Den amtlichen Zahlen nach sind 35 Prozent der Tatverdächtigen Ausländer. 

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