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Geplante Krankenhausreform: Versorgungsrisiko für Bayern?

Gesundheit

Wird Lauterbachs Krankenhausreform zum Versorgungsrisiko?

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    Gesundheitsminister Karl Lauterbach bei einem Besuch im in einem Krankenhaus in Israel, das als Vorbild für die Digitalisierung des Gesundheitswesens gilt.
    Gesundheitsminister Karl Lauterbach bei einem Besuch im in einem Krankenhaus in Israel, das als Vorbild für die Digitalisierung des Gesundheitswesens gilt. Foto: Christophe Gateau, dpa (Archivbild)

    Die aktuellen Pläne der Krankenhausreform könnten vor allem die Menschen in Bayern und Nordrhein-Westfalen hart treffen. Würde der Vorschlag der von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach eingesetzten Reformkommission unverändert umgesetzt, müssten sich 52 Prozent aller werdenden Mütter eine andere Klinik für die Geburt suchen, als ihnen heute in der Nähe zur Verfügung stehen. Wer einen Herz- oder Gefäßkatheder benötigt, müsste in 56 Prozent der Fälle weitere Wege in die Klinik fahren. Bei vielen anderen Operationen und Behandlungen ist es ähnlich, wie eine Simulation der Deutschen Krankenhaus Gesellschaft (DKG) über die Folgen der Reform zeigt.

    Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek sieht sich in seiner Kritik an Lauterbachs Vorgehen bestätigt, das Konzept einer Experten-Kommission zu überlassen. "Das DKG-Gutachten übertrifft meine Befürchtungen noch", sagt der CSU-Politiker. "Die Bundesregierung darf dieses Alarmsignal nicht ignorieren, sondern muss jetzt rasch die Länder und Klinikvertreter zu einem Krankenhaus-Gipfel einladen", sagt er. "Es gilt, gemeinsam einen erheblichen Klinik-Kahlschlag zu verhindern“, betont der Minister und kündigt einen Krisengipfel mit den Krankenhäusern in Bayern an. „Die Unsicherheit bei den Krankenhäusern ist groß, wie es weitergeht“, sagt er unserer Redaktion. „Lauterbach muss einen Krankenhausgipfel organisieren, an dem sowohl Klinikvertreter teilnehmen als auch der Bundesfinanzminister.“ Denn die Reform benötige ausreichend Finanzmittel.

    Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) kritisiert die Pläne zur Krankenhausreform.
    Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) kritisiert die Pläne zur Krankenhausreform. Foto: Annette Riedl, dpa (Archivbild)

    Tatsächlich belegt die Simulation der Krankenhausgesellschaft, dass Bayern mit seiner Versorgungslandschaft besonders stark von der Reform betroffen wäre. Mit seinen von vielen öffentlichen und gemeinnützigen Trägern betriebenen Kliniken setzt Bayern auch in der Fläche auf eine wohnortnahe Versorgung und nimmt dabei in Kauf, dass dies oft zu kleineren Krankenhäusern führt. Die Reform hat jedoch das Ziel, die Zahl der Krankenhäuser mit breiterem Angebot auf weniger Zentren zu konzentrieren, die dafür mehr Qualität bieten sollen. Bisherige kleine Kliniken sollen zu ambulanten Gesundheitszentren für weniger schwere Notfälle umgebaut werden.

    Doch was auf dem Papier gut klingt, birgt die Gefahr vieler Risiken und Nebenwirkungen für die Versorgung insgesamt. So soll künftig eine zumutbare Fahrtdauer von 30 Minuten zum nächsten Krankenhaus ein entscheidender Maßstab werden. Das wiederum bedroht die Zukunft auch kleiner städtischer Kliniken, wenn im Umkreis ein größeres Zentrum liegt. Für kranke Menschen könnte dies die Auswahlmöglichkeit einschränken, sich zum Beispiel bei einer Operation mit einer eingeholten Zweitmeinung für eine andere Klinik zu entscheiden. Bei einer strikten Anwendung der "30-Minuten-Regel" könnte fast jedes dritte Krankenhaus seine Notfallversorgung verlieren. Deshalb ringen Krankenhausträger und die zuständigen Landesregierungen nun hart mit dem Bund über die konkrete Ausgestaltung der Reform. 

    Ohne Krankenhaus-Reform steuert Pflege auf Kollaps zu

    Klar ist allen Beteiligten, dass eine Reform angesichts explodierender Kosten, des sich verschärfenden Personalmangels, aber auch wegen zahlreicher Missstände, wie massenhaft unnötiger aus finanziellen Gründen durchgeführter Operationen unausweichlich scheint. Vor allem in der Pflege steuert das System auf einen Kollaps zu: "Wir haben allergrößtes Interesse daran, dass diese Reform gelingt – im Interesse der Patientinnen und Patienten, aber auch im Sinne der Beschäftigten", sagt DKG-Vorstandschef Gerald Gaß. "Wir werden niemals mehr so viele Beschäftigte in der Pflege haben wie jetzt, aber wir werden in der Zukunft viel mehr Menschen zu versorgen haben." Deshalb sei der Ansatz richtig, wenn möglich die vollstationären Behandlungen zu mehr ambulanten Angeboten zurückzufahren. 

    Doch die Reformpläne müssten sich an der Realität orientieren und vor allem an der Versorgungssicherheit, betont Gaß. Mit einem eigenen Vorschlag will die Krankenhaus-Gesellschaft nun die Reform mitgestalten und hofft auf Unterstützung der Bundesländer.

    "Bayern ist weiter bereit, gemeinsam ein geeignetes Konzept zu erarbeiten", sagt auch CSU-Minister Holetschek. "Man muss die Krankenhaus-Reform von den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen her denken und nicht vom grünen Behörden-Tisch aus", fordert er. "Eine sichere und wohnortnahe Geburt muss im Freistaat möglich bleiben", betont Holetschek. "Die Bundesregierung darf weder die Patienten noch das Pflegepersonal aus dem Blick verlieren“, sagt er „Wir müssen alle an einem Strang ziehen, damit die Krankenhaus-Reform gelingt.“

    Union kritisiert Lauterbachs Vorgehen bei Krankenhaus-Reform als Rohrkrepierer

    Auch die Union im Bundestag kritisiert die wachsende Verunsicherung. "Nun rächt sich, dass Minister Lauterbach die Klinikreform ohne die Kliniken und ohne die Länder konzipiert hat", sagt der Unions-Gesundheitsexperte Tino Sorge. "Der Frust in den Bundesländern und bei den Kliniken vor Ort ist groß – denn bislang wurde vor allem über sie geredet, statt mit ihnen", kritisiert der CDU-Politiker. "Die angekündigte 'Revolution' läuft Gefahr, zum Rohrkrepierer zu werden."

    Auch der CDU-Gesundheitsexperte stellt die Notwendigkeit der Reform nicht infrage. "Vielerorts wird es schmerzhafte Einschnitte, Schließungen und Umwandlungen von Kliniken geben müssen", sagt Sorge. "Die Konzentration und Spezialisierung wird dem System guttun und die Qualität der Versorgung erhöhen. Solche Maßnahmen dürfen aber nicht über den Kopf der Länder hinweg geplant werden – und schon gar nicht unter Ausschluss der Kliniken."

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