Es ist ein wenig still geworden um Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Die Zahl seiner Pressekonferenzen und Talkshow-Auftritte, die ihm einst den Spitznamen „Karlchen Überall“ einbrachte, ist rückläufig. Der SPD-Politiker hat viele Baustellen zu beackern, teilweise kommt er voran, vielfach jedoch krankt das System. Die Bestandsaufnahme seiner Arbeit fällt deshalb ungefähr so aus wie seine Beliebtheit in den Umfragen. Dort steht der Minister in der Mitte. Die eine Hälfte ist besser, die andere nicht.
1. Cannabis: Die Teillegalisierung von Cannabis zeigt das Spannungsfeld, in dem sich Lauterbach bewegt. Der Minister ist kein Freund des Kiffens und warnt eindringlich vor den Gefahren. Die Legalisierung trug er trotzdem mit und musste sich dafür viel Kritik, etwa von der Ärzteschaft, gefallen lassen. Zuletzt hätte sogar die eigene SPD-Fraktion das Gesetz fast noch wieder gestoppt. Nun kommt das Cannabisgesetz zum 1. April und Lauterbach kann einen Haken druntersetzen. Zumindest einen kleinen, denn ob der von ihm geforderte Kinder- und Jugendschutz tatsächlich funktioniert, muss sich in der Praxis erst noch erweisen.
2. Krankenhausreform: Mehr als 100 Krankenhäusern droht Lauterbach zufolge in diesem Jahr die Insolvenz, wenn der Gesetzgeber nicht einschreitet. Der Minister plant eine große Reform, ein Schritt dahin ist das Transparenzgesetz. Es soll für mehr Liquidität bei den Kliniken sorgen und den Patienten einen Überblick geben, welches Krankenhaus welche Leistungen mit welcher Qualität anbietet. Der Bundesrat allerdings hat den Lauterbach’schen Tatendrang jäh ausgebremst, das Gesetz in seiner letzten Sitzung gestoppt und es an den Vermittlungsausschuss verwiesen. Die Länderkammer bezweifelt unter anderem, dass das geplante Klinik-Verzeichnis laienverständlich ist. Von Lauterbachs Gesetz dürfte nach den Verhandlungen zwischen Bund und Ländern wohl nur die Hälfte übrig bleiben, denn ein Kompromiss muss her.
3. Arzneimittelknappheit: Lauterbachs Problem ist, das bestätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, seine Impulsivität. Wenn der SPD-Politiker morgens eine Idee hat, dann geht er ihr notfalls auch nach, ohne sich zuvor mit seinem Ministerium abzustimmen. In diese Kategorie dürfte sein Appell fallen, angesichts knapper werdender Arzneimittel auf „Hamsterkäufe“ zu verzichten. Das war vor der Erkältungswelle im Herbst und heute ist klar: Arzneimittel sind noch knapper geworden, der vom Minister eiligst zusammengezimmerte Fünf-Punkte-Plan zur Sicherstellung der Versorgung wirkt nicht. Der Bundestag hat zwar sein „Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz“ beschlossen. Der Aufbau neuer Produktionsstätten wird jedoch Jahre in Anspruch nehmen.
4. Pflegereform: Die eine große Pflegereform gibt es nicht, Lauterbach hat aber immerhin schon einige Schritte nach vorn getan. So sind Sachleistungen und das Pflegegeld im Januar um jeweils fünf Prozent gestiegen. Anderseits ist hier wohl noch nicht mal die Hälfte des Weges zurückgelegt. Gegen die chronische Überlastung von Kliniken, Pflegediensten und Arztpraxen hat der Minister kein probates Mittel gefunden. Das liegt auch am Personalmangel, daran ist Lauterbach nicht allein schuld. Viele Fachkräfte kommen deshalb nicht ins Land, weil sie von der langwierigen Visavergabe abgeschreckt werden. Die wiederum liegt in den Händen von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). Andere Ideen des Ministers hören sich gut an, stecken aber, wie die geplanten 1.000 Gesundheitskioske, nahezu komplett fest.
5. Digitalisierung: „Die Digitalisierung des Gesundheitswesens ist der Bereich, über den am meisten gesprochen wird und wo am wenigsten passiert.“ Das Zitat stammt von Lauterbach, es ist ein richtiger Befund – der allerdings 17 Monate alt ist. Damals versprach der Minister, „aus der Kurve heraus“ beschleunigen zu wollen, in Wahrheit ging es nur im Schneckentempo weiter. Die flächendeckende Einführung des elektronischen Rezepts - 2022 angekündigt - wurde erst zum Jahresstart 2024 verordnet, und nicht einmal das wirkt. In Städten wie Berlin drucken viele Praxen die Rezepte immer noch aus. Seit dem 1. Januar 2021 können alle gesetzlich Versicherten eine elektronische Patientenakte erhalten, 2025 soll die „ePA“ für alle Standard sein. Lauterbach erhofft sich eine Entlastung für Ärzteschaft und Patienten, aber noch ist die Technik tückisch und die Nutzung bleibt freiwillig. Ob das für die flächendeckende Umsetzung ausreicht oder die „ePA“ Stückwerk bleibt, muss sich ebenfalls erst noch erweisen.