Mit dem Deutschen Roten Kreuz stellt sich einer der großen Wohlfahrtsverbände hinter ein Lieblingsprojekt des SPD-Gesundheitsministers: Das DRK hält Gesundheitskioske für ein geeignetes Mittel, um die drohende Überlastung des Gesundheitssystems abzufedern. „In diesem weitgehend neuen Einrichtungstyp sehen wir besonders viel Potenzial, um einen Beitrag für eine zukunftsfähige Gesundheitsversorgung zu leisten“, heißt es in einem Standpunkt des Roten Kreuzes. Das Papier liegt unserer Redaktion vor.
Die Kioske könnten gerade die ambulante Versorgung für chronisch kranke und sozial benachteiligte Menschen stärken. „Mit den Gesundheitskiosken kann man das System entlasten, weil wir dort die Möglichkeit haben, gleichzeitig etwas bei der Behandlung kleinerer Fälle und bei der Prävention zu tun“, sagte Joß Steinke, Bereichsleiter für Jugend und Wohlfahrtspflege des DRK, unserer Redaktion. Die Idee hinter den Kiosken sieht so aus: In sozial schwachen Stadtteilen sollen die Kioske eine erste Anlaufstelle für Patienten unterhalb von Arztpraxen und Krankenhäusern sein. Dort sollen Krankenschwestern und Pfleger nach den Vorstellungen Lauterbachs Blutdruck und Blutzucker messen, Verbände wechseln, Wunden versorgen und Spritzen geben.
Prävention und Beratung im eigenen Viertel
Sie sollen die Menschen auch dabei beraten, wie sie chronische Leiden wie Übergewicht und Diabetes vermeiden können durch eine Umstellung der Ernährung und Sport. Mehr Prävention soll später kostspielige Dauerbehandlungen vermeiden. Die Kioske sollen den Patienten auch dabei helfen, Arztbriefe zu verstehen oder sich in der Bürokratie des Gesundheitswesens zurechtzufinden. Vor allem für Zuwanderer, die schlecht Deutsch sprechen, kann das eine große Hürde sein. Doch das Problem reicht weiter. In einer aktuellen Studie aus dem Sommer dieses Jahres sagten 58,8 Prozent der Befragten, dass sie vor erheblichen Schwierigkeiten stehen, wenn sie mit Gesundheitsinformationen umgehen sollen.
Lauterbach schwebt vor, in ganz Deutschland 1000 Gesundheitskioske einzurichten. Im Spätsommer besuchte er ein seit 2017 bestehendes Modellprojekt in Hamburg, um Werbung für seine Idee zu machen. „Gesundheitskioske können dabei einen entscheidenden Unterschied machen", sagte Lauterbach seinerzeit. Doch im Gesundheitswesen stößt die Idee auf breite Ablehnung. In seltener Eintracht lehnen sowohl die Kassen als auch Ärzte und Apotheker die Kioske ab.
Ihr Hauptargument lautet, dass dadurch Doppelstrukturen geschaffen würden und ohnehin knappes Personal noch knapper werde. Das hat auch mit dem Kostenplan Lauterbachs zu tun. Tragen sollen die Kosten zu 75 Prozent die gesetzlichen Krankenkassen, zu 5 Prozent die privaten Krankenversicherungen und den Rest die Kommunen. Mit Mehrbelastungen von 300 Millionen Euro jährlich gehen die drei Kostenträger aus.
Nur höchstens 20 Kioske im Jahr 2025
Das Gesundheitsministerium rechnet unterdessen selbst nicht mehr damit, dass die 1000 Kioske schnell ausgerollt werden. Die ersten zehn bis zwanzig sollen 2025 eingerichtet werden, erklärte ein Abteilungsleiter des Hauses im November auf einer medizinischen Fachtagung.
Kritik kommt auch von der Opposition. „Es ist doch klar, dass es als große Ungerechtigkeit empfunden wird, wenn die Menschen in den Gesundheitsberufen vonseiten des Gesundheitsministers zu oft zu hören bekommen, dass kein Geld für wesentliche Verbesserungen oder Entlastungen in ihrem Bereich da ist, gleichzeitig aber viel Geld in die neue Parallelstruktur 'Gesundheitskioske' gepumpt werden soll“, sagte die CSU-Gesundheitsexpertin Emmi Zeulner unserer Redaktion. Das Geld der Versicherten sei in den bestehenden Praxen und Apotheken besser aufgehoben.