Die Deutsche Krankenhausgesellschaft wirft Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach vor, mit seinen Krankenhausreformplänen die flächendeckende Versorgungssicherheit in Deutschland zu gefährden. „Wir haben allergrößte Sorge, dass die von Lauterbach geplanten bundesweiten Qualitätsvorgaben in Wahrheit nur dem Kahlschlag in der Krankenhauslandschaft dienen sollen“, sagte der Vorstandschef Gerald Gaß der „Augsburger Allgemeinen“ (Donnerstagausgabe). „Die Idee, eine Art Nutri-Score für gute oder schlechte Behandlungsqualität einzuführen, ist völlig absurd“, kritisierte der Verbandschef Lauterbachs Ankündigung, ein Internetportal über die Qualität von Behandlungen in einzelnen Kliniken zu schaffen.
„Die Qualitätsmessung der Patientenbehandlung ist eine hochkomplexe Angelegenheit, über die sich Fachleute in aller Welt seit vielen Jahren die Köpfe zerbrechen“, betonte Gaß. „Wenn Herr Lauterbach hier eine einfache Ampel im Internet verspricht, ist das schlicht Populismus“, fügte er hinzu. „Dies wird nicht nur zu einer Klagewelle der betroffenen Kliniken führen. Viel schlimmer ist, dass dieser von Lauterbach geplante öffentliche Pranger den Ruf vieler Kliniken und das Vertrauen der Menschen in die gesamte Krankenhausversorgung zerstört.“
Krankenhausgesellschaft kritisiert Pläne von Karl Lauterbach (SPD)
Gaß kritisierte, Lauterbach unterstelle kleineren Krankenhäuser schlechtere Qualität und Überlebensraten als Unikliniken. „Die Aussagen von Minister Lauterbach zum Thema Qualität in deutschen Krankenhäusern lassen jeden Respekt vermissen vor den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, vor den Ärztinnen, Ärzten, vor den Pflegekräften, die sich Tag für Tag unter schwierigen Rahmenbedingungen um das Patientenwohl kümmern“, betonte er. Die vorgelegten Daten des Gesundheitsministeriums verzerrten massiv das Bild. So würden beispielsweise viele hochbetagte Patienten mit der Diagnose Krebs oft in kleineren Kliniken palliativ versorgt. „In Lauterbachs Statistik sieht das dann schlecht für diese Häuser aus“, sagte Gaß. Die Fortschritte bei Zertifizierung der Krebszentren, gingen dagegen sämtlich von den Kliniken aus. „Das ist eine Erfolgsgeschichte der Krankenhäuser, nicht der Politik“, betonte Gaß.
Der Vorstandsvorsitzende der Deutsche Krankenhausgesellschaft forderte von der entscheidenden Bund-Länder-Sitzung über die Eckpunkte der geplanten Krankenhausreform klare Aussagen zur Finanzierung der Kliniken. „Krankenhäuser wollen keine Rettungspakete oder Almosen, sondern einen Inflationsausgleich, damit sie die Reform überhaupt erleben“, betonte der Chef des Klinikträgerverbands. Die Krankenhäuser könnten nicht wie Bäcker die Brötchenpreise erhöhen, sondern seien von gesetzlich fix geregelten Erlösen abhängig. „Doch die Politik unternimmt nichts und lässt die Träger und Kommunen mit den Defiziten im Stich“, kritisierte Gaß.
Krankenhausgesellschaft: Lauterbach macht schweren Fehler
„Wir befürchten, dass der Bundesgesundheitsminister ganz bewusst auf eine schnelle Marktbereinigung setzt, weil er die Krankenhauslandschaft für deutlich überdimensioniert hält“, warnte Gaß. Ein dem Markt überlassener Strukturwandel wäre ein politisch und sozial folgenschwerer Fehler. „Die vor Ort betroffene Bevölkerung wird dagegen auf die Barrikaden gehen“, sagte Gaß. „Am Ende droht in ärmeren Regionen eine schlechtere Gesundheitsversorgung als in wohlhabenderen Kommunen. Das wird den Protestwählern bei den anstehenden Landtagswahlen weiteren Auftrieb geben.“
Die Länder müssten nun bei den der gemeinsamen Verhandlungen über die endgültigen Gesetze dafür sorgen, dass die Krankenhausreform verständigen geordnet in einem schrittweisen Prozess erfolge. „Es ist gut, dass die Bundesländer den Minister wieder auf den Boden der Realität zurückholen und bei seinen Maximalvorstellungen einbremsen“, sagte Gaß. „Krankenhausplanung ist zum Glück Ländersache“, fügte er hinzu. „Wir brauchen eine Krankenhausstrukturreform, aber eine Reform mit Augenmaß, keine Revolution.“
Lauterbach stemmte sich gegen Fusion seines örtlichen Krankenhauses
Wichtig sei es die Bevölkerung dabei mitzunehmen, wenn es beispielsweise in der Fläche um Klinikfusionen gehe. „Wir müssen den Menschen vor Ort klarmachen, was die auf uns zukommenden Veränderungen der Bevölkerungsentwicklung bedeuten“, betonte Gaß. „Wir werden kommendes Jahr doppelt so viele Sechzigjährige wie Zwanzigjährige in Deutschland haben. Für das Gesundheitswesen hat das drastische Folgen: Wir werden mangels nachrückender Arbeitskräfte langfristig mit deutlich weniger Personal auskommen müssen.“ Zugleich müssten die Klinken künftig wegen der älter werdenden Gesellschaft zwangsläufig mehr Patientinnen und Patienten versorgen. „Darauf müssen wir uns jetzt vorbereiten und die Strukturen anpassen“, betonte Gaß.
„Ein verlässliches Krankenhaus, das vielleicht einige Kilometer weiter entfernt liegt, aber alle Bereitschaftsdienste durchgehend besetzt hält, ist besser als wenn der Rettungswagen wegen nicht besetzter Notaufnahmen noch viel weitere Wege fahren muss.“ Hier müsse man erklären und um Verständnis werben. „Für Politiker scheint das nicht einfach“, sagte Gaß. „Sehr lange hat auch der Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach sich mit aller Macht gegen eine Fusion seines örtlichen Krankenhauses Köln-Holweide gestemmt“, fügte er hinzu.