Arbeitsausfälle wegen Depression, Angst-Störungen oder chronischer Erschöpfung haben im vergangenen Jahr massiv zugenommen. So kletterte die Zahl der Krankheitstage aufgrund psychischer Leiden 2021 auf den Rekordwert von 126 Millionen. Im Jahr davor waren es noch 119 Millionen. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion hervor, die unserer Redaktion exklusiv vorliegt. Zudem fallen die Betroffenen immer länger aus: Betrug die durchschnittliche Abwesenheit 2020 noch rund 33 Tage, waren es 2021 bereits 48 Tage. Der Anstieg beträgt damit 45 Prozent in nur einem Jahr.
Susanne Ferschl, stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, sagte: "Die Belastungen bei der Arbeit und damit einhergehende psychische Erkrankungen nehmen dramatisch zu." Gerade im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge herrsche häufig akuter Personalmangel: "Die verbliebenen Beschäftigten müssen immer noch mehr Arbeit bewältigen – so lange, bis sie selbst ausfallen." So verschärfe sich der Arbeitskräftemangel noch weiter. Das zuständige Arbeitsministerium sieht in seiner Antwort einen starken Zusammenhang mit "pandemiebedingten Belastungen". Doch für Ferschl hat Corona "wie ein Brandbeschleuniger" bereits bestehende Probleme noch verstärkt. Unter dem Ausfall von Kindergärten und Schulen hätten berufstätige Frauen besonders heftig gelitten, sagte sie.
Besonders oft treffen psychische Erkrankungen Lehrerinnen, Soldaten oder Pflegekräfte
Werte, welche Wirtschaftszweige besonders betroffen sind, konnte die Bundesregierung für 2021 zwar noch nicht liefern. Zahlen aus den Vorjahren zeigen jedoch, dass etwa Beschäftigte bei Militär und Polizei, Krankenschwestern und Altenpfleger, Lehrerinnen und Erzieher überdurchschnittlich häufig wegen psychischen Erkrankungen ausfallen. Den neuen Zahlen zufolge sind diese zudem für 40 Prozent aller vorzeitigen Renteneintritte wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ursächlich. Die absoluten Zahlen sanken dabei 2021 im Vergleich zum Vorjahr leicht von fast 73.000 auf gut 69.000.
Dass dies kein Grund zur Entwarnung ist, zeigt eine andere Entwicklung: Wenn Menschen seelisch leiden, fehlen sie im Beruf deutlich länger als bei anderen Beschwerden. Im Schnitt waren es 2021 rund 48 Tage. Über alle Krankheitsbilder hinweg kletterte der Wert nur um gut zehn Prozent auf 16 Tage. Von 2010 bis 2021 haben sich die Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund von psychischen Leiden und Verhaltensstörungen damit mehr als verdoppelt. Gestiegen sind demnach auch die volkswirtschaftlichen Kosten durch psychische Krankheiten. Rund 27 Milliarden Euro weniger an Bruttowertschöpfung konnten unter anderem wegen der Produktionsausfälle erzielt werden – ebenfalls neuer Höchststand.
Linke drängt Regierung zu besserem Arbeitsschutz
Susanne Ferschl fordert angesichts der Entwicklung: "Die Bundesregierung muss endlich handeln, um diesen Teufelskreis zu unterbrechen, damit Beschäftigte nicht weiter auf Verschleiß gefahren werden." Die frühere Gewerkschafterin weiter: "Einfache und wirksame Maßnahmen wären, Betriebsräte bei Fragen der Nichterreichbarkeit und der Personalbemessung zwingend mitbestimmen zu lassen, eine Anti-Stress-Verordnung und flächendeckende Arbeitsschutzkontrollen."
Ganz allgemein zeichnet sich bei den Krankheitsausfällen von Beschäftigten in diesem Jahr ein neuer Negativ-Rekord ab. Nach einer Auswertung der Techniker Krankenkasse lag der Krankenstand – also der Anteil der Fehltage an allen Arbeitstagen – Anfang Dezember im Schnitt bereits bei 5,14 Prozent. Damit ist der Wert bereits höher als im gesamten Vorjahr (3,98 Prozent) und liegt sogar über dem bisherigen Höchstkrankenstand von 4,25 Prozent im Jahr 2018. Als Hauptgrund für den deutlichen Anstieg nennt die Kasse Atemwegsinfekte und Erkältungskrankheiten. Auffällig sei, dass Erkältungswellen auch zu untypischen Zeiten wie im Juli und Oktober eine große Rolle gespielt hätten.
Wer im Urlaub krank wird, kann sich übrigens die "verlorenen" Tage zurückholen.