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Gesundheit: Ansturm auf neues Organspende-Register

Gesundheit

Ansturm auf neues Organspende-Register

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    Lebensrettende Organspenden: Der Start eines neuen Bürger-Registers soll Sicherheit und Klarheit schaffen.
    Lebensrettende Organspenden: Der Start eines neuen Bürger-Registers soll Sicherheit und Klarheit schaffen. Foto: Frank May, dpa (Archiv)

    In den fünf Wochen seit des Starts des neuen Onlineregisters für Organspenden haben sich über hunderttausend Menschen registriert. Dennoch bezweifeln Fachleute, ob das neue Angebot tatsächlich zu einem Anstieg der Organspenderzahlen führen wird. Die Expertin Birgit Blome von der Deutschen Stiftung für Organtransplantation rechnet nicht damit, wenn sie auf Erfahrungen in Ländern wie den Niederlanden blickt, wo es ähnliche Register bereits länger gibt.

    Zu mehr Organspendern hätten die digitalen Register allein nicht geführt, berichtet Blome. Denn die Portale erreichten vor allem Menschen, die sich bereits für oder gegen eine Spende entschieden hätten. "Es müssen jedoch gerade auch diejenigen erreicht werden, die sich noch keine Meinung gebildet haben", betont die Expertin.

    Das neue Register ist nicht so niederschwellig wie erhofft

    Dazu komme, dass der Zugang zum Register möglichst leicht sein sollte. Mehrere Institutionen wie etwa die Deutsche Stiftung Patientenschutz hatten im Vorfeld die komplizierte Umsetzung kritisiert. Denn um die Abgabe einer Erklärung vorzunehmen, wird ein digitaler Personalausweis oder eine eID-Karte benötigt. Wie eine Sprecherin des Bundesministeriums unserer Redaktion auf Anfrage mitteilte, haben über 90 Prozent der sich im Umlauf befindenden Personalausweise eine bereits einmal aktivierte Onlinefunktion. Allerdings verwenden nur etwa 14 Prozent der Deutschen den Onlineausweis derzeit, wie eine jährliche Studie der Initiative D21 ergab. Im späten Sommer soll die Registrierung allerdings auch über die App der eigenen Krankenkasse möglich sein.

    Fachleute sind skeptisch, ob das neue Organspende-Register tatsächlich zu mehr Transplantationen führt.
    Fachleute sind skeptisch, ob das neue Organspende-Register tatsächlich zu mehr Transplantationen führt. Foto: Soeren Stache, dpa

    Wer in der Lage ist, die Onlinefunktion zu nutzen, konnte sich nach Einschätzung von Expertin Blome relativ schnell und unkompliziert registrieren. Das stimmt mit den Erkenntnissen von Maik Pommer vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte überein. Menschen, die sich erklären wollten, kämen mit dem Portal zurecht. "Wir sehen, dass es erfreulich wenig Nachfragen zur Nutzung gab", berichtet der Sprecher. Insgesamt seien die hohen Registrierungszahlen ein gutes Signal. "Das Interesse ist enorm", sagt Pommer. Nach aktuellem Stand verzeichnet das Register rund 107.600 Registrierungen, der Trend sei seit seinem steilen Start weiter steigend. Bleibt das so, könnte das Register Ärzten mehr Klarheit liefern.

    Nur bei 15 Prozent der Spender ist eine schriftliche Dokumentation auffindbar

    Denn aktuell mangelt es an Zustimmungserklärungen – trotz offenbar hohen Zuspruchs in der Bevölkerung. Wie eine repräsentative Befragung der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung ergab, befürworten rund 80 Prozent der Befragten eine Organspende. Etwa 60 Prozent geben an, eine Entscheidung getroffen zu haben. Davon sagen 44 Prozent, dass sie ihre Entscheidung dokumentiert haben. "Wir machen jedoch die Erfahrung, dass auf den Intensivstationen im Krankenhaus bei Verstorbenen, die für eine lediglich knapp 15 Prozent ihren Willen schriftlich – in einem Organspendeausweis oder einer Patientenverfügung – festgehalten haben", berichtet Expertin Blome. "Das ist eine große Diskrepanz." 

    Das könne entweder daran liegen, dass die Umfragen nicht die Realität widerspiegeln würden. "Oder der Ausweis wird im Akutfall nicht gefunden", sagt Blome. Hier kann das Register, in dem die Einwilligungen digital gespeichert werden, Abhilfe schaffen. Auch für Angehörige wird davon Erleichterung erhofft. Denn gibt es keinen Hinweis darauf, was die Person wollte, müssen die Angehörigen unter Zeitdruck schwere Entscheidungen treffen. Krankenhäuser sollen darauf ab dem ersten Juli zugreifen können. Organspendeausweise bleiben genau wie die Patientenverfügung weiterhin verfügbar. 

    8500 Menschen warten in Deutschland aktuell auf ein Organ

    Etwa 8500 Menschen stehen aktuell in Deutschland auf der Warteliste für eine Organspende. Die meisten benötigen eine Niere, einige warten auf eine kombinierte Transplantation von mehreren Organen. 2023 gab es jedoch nur 965 Organspenderinnen und -spender. Das sind elf pro einer Million Einwohner. Zum Vergleich: In Spanien waren es knapp 50 pro einer Million Einwohnern. 

    Expertin Blome erklärt den großen Unterschied vor allem damit, dass die Bundesrepublik eine der letzten europäischen Staaten ohne eine sogenannte Widerspruchslösung ist. Wer keine Widerspruchserklärung abgegeben hat, gilt in Deutschland nicht automatisch als Spender. Sollte die Widerspruchslösung in Deutschland eines Tages eingeführt werden, wäre das Register nach Einschätzung der Expertin weiterhin wichtig bei der Umsetzung, auch um eine ablehnende Haltung als Widerspruch sicher dokumentieren zu können.

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