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Geheimdienste: Warum wusste der BND nichts von der Wagner-Revolte?

Geheimdienste

Warum wusste der BND nichts von der Wagner-Revolte?

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    Der Bundesnachrichtendienst (BND). Ampel-Vertreter werfen dem Bundesnachrichtendienst vor, zu spät über den Aufstand der Wagner-Söldnertruppe in Russland informiert zu haben.
    Der Bundesnachrichtendienst (BND). Ampel-Vertreter werfen dem Bundesnachrichtendienst vor, zu spät über den Aufstand der Wagner-Söldnertruppe in Russland informiert zu haben. Foto: Wolfgang Kumm, dpa

    Versagt, uninformiert, zu langsam – der Bundesnachrichtendienst steht in der Kritik. Der Vorwurf: Sind die Männer und Frauen des BND schuld daran, dass die deutsche Bundesregierung völlig davon überrascht wurde, dass die Soldateska der kriminellen Wagner-Miliz in Richtung Moskau marschierte? 

    Die Kritik war heftig. Ist Deutschland außenpolitisch blind? Die Fragezeichen sind offensichtlich so groß, dass sogar intern schon die Demission des Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes (BND), Bruno Kahl, gefordert wurde. Doch danach sieht es vorerst nicht aus: Der aktuelle Präsident des Auslandsnachrichtendienstes hat nach einem Auftritt im Auswärtigen Ausschuss zum bewaffneten Aufstand der Söldnertruppe Wagner in Russland breite Rückendeckung erhalten. Der FDP-Obmann in dem Gremium, Ulrich Lechte, antwortete am Mittwoch auf die Frage, ob der Sessel von Kahl wackele, mit den Worten: "Falls ihn irgendjemand angesägt hat, hat er den gerade sehr, sehr gut wieder zusammengeklebt. Und ich glaube, dass der noch eine ganze Zeit halten wird." Unterstützung kam auch von SPD und Grünen sowie aus der Union. 

    Auch Politiker wurden von der Revolte in Russland überrascht

    Ausschusschef Michael Roth (SPD) räumte ein, viele seien von der Revolte in Russland überrascht worden. "Ich habe aber nach der heutigen Sitzung den Eindruck gewonnen, dass der Bundesnachrichtendienst auch in Kooperation mit anderen Nachrichtendiensten von Freunden und Partnern verantwortungsbewusst mit dieser Situation umgegangen ist."

    Krisen, Spionage, Agenten, Anschläge – das ist die Welt, die man aus James-Bond-Filmen kennt. Ein Womanizer mit einem geschüttelten Drink an den Lippen, den er nur aus der Hand legt, wenn er gerade die Welt retten muss. Doch was hat das mit der Realität zu tun? Nicht viel.

    Ein Beispiel: Der vielleicht erfolgreichste Mann in der Geschichte des deutschen Bundesnachrichtendienstes, Gerhard Conrad, hat seine legendären Coups in Nahost nicht zuletzt aufgrund seiner exzellenten Ausbildung erreicht. Der Mann, der nun Kommunikationschef des Gesprächskreises Nachrichtendienste in Deutschland (GKND) ist, hatte vor seinem Dienst ein Studium der Islamwissenschaft als Hintergrund. Conrad sieht eine Überregulierung und eine chronische Unterfinanzierung als Grund für den Niedergang des BND.

    Wenig Geld für Nachrichtendienste? BND erreicht Level der Partner kaum

    Ähnlich scheint dies die Opposition in Berlin zu sehen: In der Union wird seit Jahren bemängelt, dass der Nachrichtendienst überreguliert ist. Mit dieser Kritik ist die CDU/CSU nicht alleine. Der frühere BND-Präsident Schindler, der den Dienst zwischen 2012 und 2016 führte, kritisierte: "Die Mutation von einem operierenden Nachrichtendienst in eine mit sich selbst beschäftigte Verwaltungsbehörde ist politisch gewollt. Die Gesetzesänderungen der letzten Jahre haben doch genau dies bewirkt." Ein Vorwurf, der – alleine vom Selbstverständnis der BND-Mitarbeiter – nicht schlimmer hätte sein könnte. 

    Doch zurück zur aktuellen Kritik. Hätte der BND tatsächlich, wie die Kollegen in den Vereinigten Staaten, wissen können, dass die unberechenbare Wagner-Truppe einen Marsch auf Moskau plant? "Kaum", meint Conrad. Der Mann, der für den deutschen Dienst, später auch europaweit operativ und strategisch arbeitete, hält es für völlig unrealistisch, dass die deutschen Geheimdienste das Level ihrer wichtigsten Partner erreichen.

    Die Kritik von Conrad geht weiter. "Deutschland rühmt sich, den am besten kontrollierten Geheimdienst der Welt zu haben. Kontrolle ist aber kein Selbstzweck, sondern muss im Verhältnis zu den erforderlichen Befähigungen stehen. Es wäre sinnvoller zu schauen, sich an den Kompetenzen und Möglichkeiten der Dienste befreundeter, demokratischer Staaten zu orientieren. Und dort dürfen die Auslandsgeheimdienste weit mehr." 

    Gerhard Conrad fürchtet, dass Deutschland unter Geheimdiensten abgehängt wird

    Conrad bemängelt, dass es in Deutschland Erwartungen auf zwei Ebenen gibt: Den einen gilt der Geheimdienst noch immer als Ausbund des kapitalistischen Überwachungsstaats, andere monieren, dass der BND nicht die Erfolge feiern kann, wie "befreundete Dienste". 

    Ein schwerer Spagat, der nach Ansicht Conrads noch komplizierter wird, wenn man weiß, dass der Auslandsnachrichtendienst in der Krise steckt. Conrad: "Wir brauchen einen Kassensturz wie bei der Bundeswehr. Der BND ist seit vielen Jahren bis in die jüngste Vergangenheit, also bis 2017, dramatisch unterfinanziert gewesen. So etwas kann nur langfristig geheilt werden. Hinzu kommt der altersbedingte Exodus vieler erfahrener Mitarbeiter."

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