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Gegner von Corona-Maßnahmen demonstrieren ohne Impfpflicht und Maskenpflicht

Lesetipp

Warum gehen die Gegner der Corona-Maßnahmen noch immer auf die Straße?

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    Die Slogans der Demonstrierenden in Augsburg bleiben vage.
    Die Slogans der Demonstrierenden in Augsburg bleiben vage. Foto: Jonathan Lindenmaier

    "Die Impfpflicht hat diese Woche keine Mehrheit bekommen", ruft Michaela Königsberger der Menge zu. "Das ist sicherlich ein Erfolg. Ein kleiner Teilerfolg." Königsberger ist Vorsitzende des Bürgerforums Schwaben, das Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen organisiert. Sie trägt ein schwarzes Outfit, graue Mütze, Sonnenbrille. Königsberger und ihre Anhänger haben sich am Samstag nahe des Augsburger Hauptbahnhofs getroffen. Die Menschen jubeln, sie pfeifen und applaudieren. Aber sie sind nicht gekommen, um zu feiern. Zumindest nicht vornehmlich. Sie wollen demonstrieren. Fragt sich nur: Wogegen eigentlich? Die Maske muss kaum noch getragen werden, die Impfpflicht ist demokratisch gescheitert und im Mai sollen die Tests an den Schulen fallen. Wenig zu spüren von einer vermeintlichen Corona-Diktatur.

    Der Hass richtet sich gegen eine scheinbar nationalfeindliche, kosmopolitische Elite

    Die Bewegung sucht deshalb nach neuen Zielen. Bei den Protesten handle es sich nicht um "monothematische Demonstrationen", sagte kürzlich der "Querdenken"-Initiator Michael Ballweg. Also weg von der Corona-Politik?

    Die Slogans der Demonstrierenden in Augsburg jedenfalls bleiben vage. "Frieden, Freiheit, Selbstbestimmung" steht auf einer weißen Fahne. "Wir sind zur Freiheit berufen durch Jesus Christus" auf einem bunt bemalten Schild.

    "Es lässt sich nicht genau ausmachen, in welche Richtung sich die Proteste jetzt bewegen", sagt der Extremismusforscher Alexander Häusler. "Aber es gibt Andeutungen, dass die Demonstrantinnen und Demonstranten ihre Thematik erweitern." Häusler macht da vor allem zwei Schwerpunkte aus: die Klimapolitik und den Krieg in der Ukraine. Die Corona-Politik sei letztlich nur Vehikel für die Ideologie der Demonstrierenden. "Man muss sich klarmachen, was dem zugrunde liegt: ein ausgeprägtes Verschwörungsdenken", sagt Häusler. "Der Hass richtet sich da gegen eine scheinbar nationalfeindliche, kosmopolitische Elite, die in irgendeiner Form das Volk schädigt."

    Bei der Augsburger Demo spricht Königsberger in ihrer Rede von einem "Plan der Weltmächte", dem die Demonstrierenden sich jetzt stellen müssten. "Corona, das Klima, der Krieg sind alles nur Geschehnisse, die diese Pläne leichter umsetzen lassen und vom Hintergrund und der ständigen Veränderung ablenken sollen." Welchen Plan genau die Weltmächte verfolgen, bleibt unbeantwortet. Applaudiert wird trotzdem.

    Die Corona-Demos ziehen aktuell deutlich weniger Menschen an also noch vor einigen Wochen

    Außerdem sei da noch die einrichtungsbezogene Impfpflicht, die zum Beispiel für Pflegekräfte gilt. Gegen die wolle man weiter auf die Straße gehen. Und spätestens im Herbst, so befürchtet Königsberger, werde die Impfpflicht erneut durch die Hintertür eingeführt, indem ungeimpfte Menschen wieder ausgeschlossen würden.

    Die Demonstrationen jedoch ziehen aktuell deutlich weniger Menschen an als noch vor einigen Wochen. 5000 Teilnehmende waren zuletzt angekündigt, die tatsächliche Zahl lag bei etwa 2000. Das war vor der Debatte um die Impfpflicht. Am Wochenende kamen nur noch etwa 700 Menschen. Ein Trend, der sich auch in anderen Städten Deutschlands zeigt. "Jetzt, wo die Impfpflicht vom Tisch ist, fällt das zentrale Thema weg, das alle mobilisiert hat", sagt Extremismusforscher Häusler. "Dadurch sinkt die Teilnehmerzahl deutschlandweit."

    Etwa 700 Menschen gehen am Samstag in Augsburg auf die Straße.
    Etwa 700 Menschen gehen am Samstag in Augsburg auf die Straße. Foto: Jonathan Lindenmaier

    In den sozialen Medien aber ist die Stimmung ungebrochen scharf. Die Nutzerinnen und Nutzer auf Telegram behaupten, dass Schülerinnen und Schüler gedrängt würden, Masken zu tragen. "Die Verbrecher werden nicht locker lassen", schreibt ein User. "Wir müssen weiter Rechenschaft fordern", ein anderer. Der Verschwörungsglaube richtet sich dabei verstärkt auf den Krieg in der Ukraine. Der sei nur Vorwand, um den Katastrophenfall aufrechtzuerhalten, ist in einer Nachricht zu lesen. "Die täglich aktualisierte Zahl der Covid-Toten wurde durch die täglich aktualisierte Zahl der ukrainischen Opfer ersetzt." Und Putin führe nur Krieg in der Ukraine, um Kinder aus ukrainischen "Pädophilen-Lagern" zu befreien.

    Häusler beobachtet diese Entwicklung mit Sorge. "Es deutet sich an, dass die Szene sich weiter radikalisiert", sagt er. "Unter anderem, weil sich Teile dieser Bewegung auf das Thema Ukraine stürzen." Dass die Demonstrationen aufhören, deutet sich nicht an. "Der Verschwörungsglaube lässt sich immer wieder auf neue Themen übertragen."

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