Der Schaden durch den großangelegten mutmaßlichen Betrug mit gefälschten Biokraftstoffen ist nach Ansicht von Experten deutlich höher als bislang bekannt. Nach Berechnungen des Bundesverbands THG-Quote haben Mineralölkonzerne in den vergangenen Jahren Staat und Gesellschaft um rund acht Milliarden Euro geschädigt, indem illegal umdeklariertes Palmöl als Bioanteil handelsüblichem Tankstellen-Diesel beigemischt wurde.
Mineralölindustrie erschwindelt angeblich massive Treibhausreduzierung
Noch größer ist dem Verband zufolge der Schaden für den Klimaschutz: Mit den mutmaßlich gefälschten Zertifikaten hätten sich die Mineralölkonzerne seit 2020 die Einsparung von 8,8 Millionen Tonnen anrechnen lassen, ohne dass sie den Ausstoß des klimaschädlichen Treibhausgases CO₂ tatsächlich reduziert hätten. „Die angebliche Treibhausminderung von circa neun Millionen Tonnen CO₂ ist nicht erfolgt“, sagte Verbandsvorstand Marc Schubert. Diese Summe entspreche der Menge, die per Gesetz in einem ganzen Jahr im gesamten Verkehrsbereich an CO₂-Ausstoß eingespart werden müsse, fügte er hinzu.
Schubert nannte den Betrug einen Skandal. Inzwischen sei das ganze System der gesetzlichen Treibhausgasminderungsquoten weitgehend zusammengebrochen, obwohl diese THG-Quoten das wichtigste Instrument für die Erreichung der Klimaziele im Verkehrsbereich seien. Der Quotenpreis für eine Tonne eingespartes CO₂ sei seit 2022 von 450 auf unter 100 Euro gefallen. „An der Börse würde man bei einem solchen Kurssturz von einem Kollaps sprechen“, sagte Schubert.
Experte nennt Schaden bei Biodieselbetrug viel größer als Wirecardskandal
Über das System der THG-Quoten sollen eigentlich Milliardensummen aus den Einnahmen der Mineralölkonzerne in den Klimaschutz fließen. So sollen Ölkonzerne ihre gesetzlich vorgeschriebenen Ziele zur Treibhausgasreduzierung dadurch erreichen, dass sie klimaneutralen Sprit einsetzen oder die CO₂-Reduzierung von Elektroautos kaufen und in ihre Klimaschutzbilanz gutschreiben und so den Hochlauf der Elektromobilität mitfinanzieren. Die THG-Quote machte vor Beginn des Biodieselbetrugs bis zu 15 Cent pro Kilowattstunde Strom an E-Auto-Ladesäulen aus, inzwischen sind es laut Schubert nur noch drei Cent. Dies führte zu einer massiven Verteuerung des Ladestroms.
Insgesamt fehlen dem Klimaschutz den Berechnungen des Verbands zufolge 4,4 Milliarden Euro über entgangene THG-Quoten, weitere 2,2 Milliarden, die Mineralölkonzerne eigentlich als Strafabgabe wegen zu hohem CO₂-Ausstoß hätten zahlen müssen, sowie der Allgemeinheit 1,3 Milliarden Euro an durch die Tricksereien entgangenen Steuereinnahmen. Der Betrug habe damit bereits jetzt das vierfache Ausmaß des Wirecard-Skandals, rechnete Schubert vor.
Biokraftstoffhersteller fordern von Grünen-Ministerin Betrugsbekämpfung
Sein Verband gründete nun mit zahlreichen Firmen der Biokraftstoffbranche, die durch Fake-Biodieselimporte aus China geschädigt werden, und anderen Verbänden die „Initiative Klimabetrug stoppen“. Der Vorstand des größten deutschen Biokraftstoffunternehmens Verbio, Stefan Schreiber, forderte die Grünen-Bundesumweltministerin Steffi Lemke auf, deutlich entschiedener gegen Fake-Biodiesel und anderen THG-Quoten-Betrug vorzugehen.
Über China würde massenhaft billiges rohes Palmöl einfach als sogenannter fortschrittlicher Biokraftstoff umetikettiert, der laut Gesetz aus Abfällen und Reststoffen hergestellt sein müsste. Da solch ein Recycling teuer und aufwendig ist, leiden ehrliche Hersteller unter der China-Billigware. Inzwischen hat die EU zwar Strafzölle gegen die Einfuhren aus China angekündigt, doch Verbio-Vorstand Schreiber berichtete, dass inzwischen große Tanklager in Drittländern für Fake-Biodiesel angemietet würden, um die EU-Strafmaßnahmen zu umgehen. Die Bundesregierung müsse deshalb endlich Maßnahmen zur Betrugsbekämpfung ergreifen, forderte er.
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