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Gaza-Krieg: Eine Klinik mitten im Kriegsgebiet

Gaza-Krieg

Eine Klinik mitten im Kriegsgebiet

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    Seit zwei Wochen werden im Feldlazarett des Roten Kreuzes im Gazastreifen Patienten behandelt. Nur wenige Kilometer entfernt wird geschossen.
    Seit zwei Wochen werden im Feldlazarett des Roten Kreuzes im Gazastreifen Patienten behandelt. Nur wenige Kilometer entfernt wird geschossen. Foto: Abed Al-Ostaz, Rotes Kreuz

    Der Schrei eines Babys mitten im Krieg. Sanad hat das Licht der Welt erblickt. Der arabische Name bedeutet auf Deutsch so viel wie Stütze. Der Kleine ist das erste Kind, das im neuen Krankenhaus des Roten Kreuzes in Rafah geboren wurde. Gut zwei Wochen ist das jetzt her, in der Stadt im Gazastreifen kämpfen Hamas und israelische Armee gegeneinander. „Wir hoffen, dass er unsere Stütze wird“, sagte Sanads Mutter Reem Abo Mousa. Es ist ihr drittes Kind, geboren in einem Krieg. 

    Niemand weiß, wann die Waffen schweigen. Niemand weiß, wann die Angst aufhört, obwohl der Internationale Strafgerichtshof den Stopp der Gaza-Offensive angeordnet hat. Die israelische Armee rückte bis Freitag weiter in Rafah vor, um die verbliebenen Hamas-Kämpfer auszuschalten. 

    „Wir gehen vorsichtig und präzise vor“

    „Wir stürmen Rafah nicht, sondern wir gehen vorsichtig und präzise vor“, erklärt der Militärsprecher. Der Direktor der Weltgesundheitssituation (WHO) beschreibt die Lage im Gazastreifen hingegen als „jenseits von katastrophal“. Hunger und Durst, gebrochene Mauern, Hunderttausende ausgebombt, nur noch jedes dritte Krankenhaus arbeitet, meist mit Einschränkungen. 

    Sanad ist das erste Baby, das in der Klinik zur Welt gekommen ist. Das Feld-Hospital verfügt über eine Geburtsstation.
    Sanad ist das erste Baby, das in der Klinik zur Welt gekommen ist. Das Feld-Hospital verfügt über eine Geburtsstation. Foto: Abed Al-Ostaz, Rotes Kreuz

    In diesem Elend gibt es einen Fleck der Menschlichkeit, etwas größer als ein Fußballfeld. Geschützt durch ein rotes Kreuz auf weißem Grund. Es weist ihn als neutralen Ort aus. ICRC Field Hospital – Rafah steht auf den Schildern. Dass das Feldlazarett arbeitet und Menschen dort geholfen wird, während sich andere Menschen töten wollen, hat auch mit Christof Johnen zu tun. Der 57-Jährige leitet von Berlin aus die internationale Zusammenarbeitet des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). 

    Am Flughafen Schönefeld lagert – sauber in Kisten gepackt – ein Feldlazarett. Teile davon hat er auf den Weg in den Gazastreifen geschickt, das Krankenhaus ist ein Gemeinschaftswerk von Rotkreuz-Gesellschaften aus elf Ländern. Johnen stammt aus dem Rheinland und wirkt nicht so, als neige er zur übertriebenen Niedergeschlagenheit ob des Leids auf der Welt. Er fing beim DRK als Zivi an, ging 1991 als Student in den Iran, wo Flüchtlinge aus dem Irak vor dem Golfkrieg Schutz suchten. Johnen ist einiges gewohnt. „Es ist außergewöhnlich kompliziert“, sagt er über die Lage in Gaza. 

    Ende November geht das erste Team nach Gaza

    Es hat gedauert, die Verhandlungen mit Hamas und Israels Streitkräften waren langwierig. Bereits im November startete die erste Mission, um einen geeigneten Platz zu finden. Das ist schwierig in diesem dicht besiedelten Streifen Land, in dem vielerorts kein Stein mehr auf dem anderen steht. 

    Das Lazarett muss einerseits weit genug weg von der Front stehen, die Versorgung mit Wasser möglich sein. Das Gelände muss außerdem frei von Blindgängern und Munition sein, in der Nähe sollen keine hohen Gebäude stehen, die einstürzen könnten, weil sie getroffen wurden oder noch zum Ziel werden. „Das war in diesem Fall schon wie eine Suche nach der Nadel im Heuhaufen“, erzählt Johnen. Ende November machte sich das erste Team auf den Weg zur Erkundung des Terrains, dabei ein Rotkreuz-Ingenieur aus Deutschland. Später stellt ein früherer Offizier der britischen Armee sicher, dass die gefundene Fläche frei ist von Granaten, Sprengfallen und Munition. 

    Das Rote Kreuz und die Schwesterorganisationen des Roten Halbmondes werden auch von Israel und der Hamas als neutral eingeschätzt, doch das Misstrauen ist groß. „Israel und Hamas schauen nicht nur mit dem Blick für humanitäre Hilfe auf den Bau eines Krankenhauses“, berichtet Johnen. Militärs blicken anders auf einen Dieselgenerator, der ein Lazarett mit Strom versorgen kann, oder auf Sauerstoffflaschen, als es Ärzte und Helfer tun. 

    15 Operationen pro Tag

    Die Einzelteile des Lazaretts wurden schließlich nach Jordanien geflogen und von dort per Lkw in den Gazastreifen gebracht, wo Arbeiter und Techniker die weißen Zelte aufgestellt haben. 200 Patienten können dort täglich versorgt werden. Das Krankenhaus hat 60 Betten, Operationssäle und eine Geburtsstation. Die Mannschaft besteht aus 30 Leuten, Ärzten, Schwestern, Pflegern und Technikern. Täglich können etwa 15 Patienten operiert werden, aber natürlich auch völlig Entkräftete wieder aufgebaut werden. Es kommen aber auch die Opfer der Kämpfe und der Folgen von Beschuss und Explosionen. Sie kommen mit Wunden, Quetschungen und Verbrennungen. 

    Ein halbes Dutzend Rotkreuzler aus Deutschland war am Aufbau der Klinik beteiligt, alle freiwillig und ehrenamtlich. „Wir schicken niemanden in den Gazastreifen, der das noch nie gemacht hat“, sagt DRK-Mann Johnen. Der Einsatz ist gefährlich, der Palästinensische Rote Halbmond beklagt 17 Tote. Der Zugang zum Krankenhaus wird 24 Stunden am Tag bewacht. Dennoch wollen auch Rotkreuzler aus Deutschland helfen: „Es gibt genügend Menschen, die bereit sind, nach Gaza zu gehen“, sagt Johnen. 

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