Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck wird bald Herr über russische Kohlekraftwerke und schwedische Atommeiler. Was wie Ironie der Geschichte klingt, ist die raue Wirklichkeit des Grünen-Politikers. Denn die Kraftwerke gehören zum internationalen Portfolio des strauchelnden Düsseldorfer Energiekonzerns Uniper, den die Bundesregierung jetzt verstaatlichen will. Bislang gehören ihr 30 Prozent an dem Unternehmen, das entscheidend ist für die Versorgung Deutschlands mit Gas. “Der Staat wird, das zeigen wir ja, alles Nötige tun, um die Unternehmen immer stabil am Markt zu halten“, sagte Habeck am Mittwoch in Berlin.
Zeitgleich mit seiner Ankündigung sah sich der Minister mit einem Vorstoß konfrontiert, der sich aufdrängt. Wenn er schon einen Energieversorger kontrolliert, könne er auch die Preise bestimmen, die Kunden und Unternehmen zahlen müssen. Die Linke forderte deshalb einen Stopp der Gasumlage. Doch es bleibt dabei: Der Zuschlag auf den Gaspreis von 2,4 Cent je Kilowattstunde wird ab 1. Oktober erhoben. Die Umlage sei als Brücke notwendig, um die Finanzen von Uniper zu stabilisieren, sagte Habeck. Eine vierköpfige Familie mit Durchschnittsverbrauch von 20.000 Kilowattstunden wird dadurch im Jahr rund 500 Euro mehr für das Heizen bezahlen.
Energieversorger Uniper verbrennt Geld - 100 Millionen Euro pro Tag
Dass Uniper die Einnahmen dringend braucht, machte Vorstandschef Klaus-Dieter Maubach deutlich. Ihm zufolge machen die Düsseldorfer 100 Millionen Euro Verlust - pro Tag. Denn sie müssen Ersatz für günstiges russisches Gas beschaffen, das nicht mehr fließt. Zwischen Anfang Oktober und Ende Dezember werden sich die Fehlbeträge auf zehn Milliarden Euro summieren. Neun von zehn Milliarden soll die Gasumlage ausgleichen, eine Milliarde bleibt auf der Bilanz von Uniper hängen. „Es ist so, dass unser Eigenkapital schmilzt. Das Unternehmen ist in einer durchaus angespannten Verschuldungssituation“, sagte Maubach. Durch die Einnahmen aus der Gasumlage gebe es aber eine positive Fortführungsperspektive, erklärte der Manager.
Diese positive Perspektive hat auch Habeck im Kopf. Denn natürlich übernimmt er die 99 Prozent des Aktienkapitals nicht wegen der AKW in Schweden und schon gar nicht wegen der Kohlekraftwerke in Russland, sondern um sicherzustellen, dass Deutschland in diesem und im nächsten Jahr genügend Gas bekommt. Denn Uniper arbeitet als Großhändler für Gas, der wiederum kleinere Versorger wie Stadtwerke beliefert. Liefert Uniper nicht an sie, könnte Haushalten und Firmen der Brennstoff ausgehen. Denn kleinere Stadtwerke leisten sich kein Heer von Energiehändlern und ihr Kapital reicht unter Umständen nicht, um jetzt teuer Energie an den heiß gelaufenen Märkten nachzukaufen.
Der Kauf des Energiekonzerns vom finnischen Eigentümer Fortum wird den deutschen Staat rund 30 Milliarden Euro kosten. Natürlich könnten theoretisch auch die enormen Kosten für den Ersatz russischen Gases aus dem Staatshaushalt beglichen werden. Dann könnte die Umlage wieder wegfallen. Zunächst wird sie gebraucht, weil der Verstaatlichung sowohl eine außerordentliche Hauptversammlung der Uniper-Aktionäre als auch die EU-Kommission zustimmen müssen. Im Wirtschaftsministerium besteht die Hoffnung, bis Jahresende beides zu erhalten.
Streit um Rechtssicherheit der Umlage
Ob die Gasumlage danach abgeschafft wird, ist offen. Denn in der Ampel-Koalition spielt Finanzminister Christian Lindner (FDP) nicht mit, der aus seinem Budget keine Milliarden locker machen will. Umstritten ist allerdings in der Ampel, ob Zahlungen aus der Gasumlage an ein staatliches Unternehmen überhaupt statthaft sind. Wie Habeck erklärte, prüfen die Juristen der Regierung die heikle Frage, während Lindner betonte, sie gehe rechtlich in Ordnung. Obwohl sie große Zweifel hat, will der Bund die Umlage dennoch kassieren.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt wirft dem zuständigen Minister vor, unnötig Unsicherheit zu verbreiten. „Wirtschaftsminister Robert Habeck hätte sich und der Öffentlichkeit sehr viel Chaos ersparen können, wenn er die Entscheidung zur Verstaatlichung von Uniper sofort getroffen hätte“, sagte Dobrindt unserer Redaktion. Er plädiert dafür, die Gasumlage noch vor dem Anlaufen wieder abzuschaffen.