Die Geschichte beginnt in der Türkei, an der Grenze zu Syrien. Und Geschichten, die dort beginnen, können auch ganz anders enden als diese hier, die von einem Mann erzählt, über den man viele Superlative verlieren könnte. Edip Sigl, 1985 geboren, als Kind nach Deutschland gekommen, ist einer der besten Köche des Landes, einer von nur zehn in Deutschland und zwei in Bayern, die vergangene Woche vom Guide Michelin mit drei Sternen – der höchsten Auszeichnung des Restaurantführers – geadelt wurden. Das Restaurant "Es:senz" – die ersten beiden Buchstaben sind Sigls Initialen – ist der einzige Neuzugang in der Gourmet-Champions-League, alle anderen sind, wenn man so will, alte Bekannte.
Sigl hat einmal gesagt, dass er Koch geworden sei, weil er das Ergebnis seines Schaffens sehen wolle. Und weil, dieser Satz wirkt ungleich profaner, eben jeder Mensch essen müsse. Also beginnt er in Köln – dorthin zieht die Familie aus der Türkei – eine Ausbildung zum Koch. Und zwar gleich in einem Sternelokal. In den nächsten Jahren arbeitet Sigl in Restaurants, die sich wie das Who is who der deutschen Spitzenküche lesen, darunter die berühmte Residenz Heinz Winkler in Aschau am Chiemsee, die damals mit drei Sternen ausgezeichnet war. Später geht Sigl unter anderem nach München, kehrt dann aber wieder an die Ufer des Chiemsees zurück, wo er 2021 Küchenchef im neu eröffneten Restaurant "Es:senz" im Resort Achental in Grassau wird.
Edip Sigl: "Mehr geht gar nicht innerhalb von drei Jahren"
Dort tischt Sigl derzeit unter anderem Balfego-Thunfisch mit Aubergine, Kaviar und Ponzu auf oder Langostino mit Zitronenthymian, Kürbis und Krustentierbisque. Zum Dessert gibt es etwa Safraneis mit fermentierter Hagebutte und Kernöl. Das Acht-Gänge-Menü "Chiemgau goes around the world" kostet 330 Euro. Das kleinere "Chiemgau Pur"-Menü kommt auf 220 Euro.
Als Sigl vergangene Woche bei der Guide-Michelin-Gala auf der Bühne in die neue Kochjacke schlüpft, auf der die drei Sterne prangen, merkt man ihm an, dass er das alles nicht so recht fassen kann. "Unglaublich", sagt er. "Mehr geht gar nicht innerhalb von drei Jahren." In der Tat hat Sigl einen Sprint hingelegt, schon kurz nach der Eröffnung bekommt das "Es:senz" zwei Sterne, jetzt bereits den dritten. So können Geschichten, von denen man am Anfang nicht so recht weiß, wo sie wohl hinführen, eben auch enden.