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Gastbeitrag: Trumps ,Stargate‘ ist ein dröhnender Weckruf für Europa!

Gastbeitrag

Trumps ,Stargate‘ ist ein dröhnender Weckruf für Europa!

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    Deutschland und Europa haben in Sachen Künstlicher Intelligenz (KI) noch sehr viel zu erledigen.
    Deutschland und Europa haben in Sachen Künstlicher Intelligenz (KI) noch sehr viel zu erledigen. Foto: Sebastian Gollnow, dpa

    Europa starrt dieser Tage wie das sprichwörtliche Kaninchen vor der Schlange über den Atlantik. Im Zuge dessen erschöpft man sich hierzulande in ebenso nachvollziehbaren wie oberflächlichen Debatten. Nahezu der gesamte Diskurs kapriziert sich auf kosmetische Manöverkritik zum Stil und der Tonalität des wiedergewählten US-Präsidenten. Was dabei diesseits des großen Teiches übersehen wird ist, was hinter der schrillen Trump-Show an faktischer (Wirtschafts-)Politik geschieht.

    Unter dem Deckmantel seines vordergründigen Klamauks organisiert ein illustres Tech-Team um Trump nämlich gerade mit maximaler Entschlossenheit einen nie gekannten ökonomischen Aufbruch für die USA. Genau dies muss in Deutschland schleunigst verstanden und als dröhnender Weckruf begriffen werden, den in Europa niemand überhören darf!

    ,Stargate‘: Die Tech-Oligarchen greifen nach den Sternen

    Wer daran Zweifel hat möge mit Bedacht die Bilder von Trumps Amtseinführung rekapitulieren. Vor den Augen der Weltöffentlichkeit wurde dabei nicht allein der nächste Präsident inauguriert. Vielmehr war sorgsam arrangiert, dass auf dieser Weltbühne auch dessen volkswirtschaftliche Mission in Bildern eingefangen wurde, die seither um den Globus gehen. Als der Präsident zum Schwur ansetzte, standen mit den glorreichen Sieben der Tech-Welt mehr als 20 Billionen Dollar (!) Marktkapitalisierung sinnbildlich hinter ihm. Trumps PR hatte die Helden des KI-Zeitalters als moderne Oligarchen aufgereiht – von A bis Z, von Apple bis Zuckerberg.

    Wie sehr dies kein Zufall sondern wohlarrangiertes Kalkül war, zeigte sich bereits am Folgetag. Keine 24 Stunden später richtete Trump eine 500 Milliarden schwere Grußadresse an das Weltwirtschaftsforum in Davos, die wie eine Bombe in den Schweizer Bergen einschlug. Mit der Operation ,Stargate‘ will Amerika im Windschatten seiner Tech-Oligarchen nach den Sternen greifen und wagt den größten wirtschaftspolitischen Aufschlag der US-Geschichte. 500 Milliarden Investitionen in eine einzige Zukunftstechnologie – künstliche Intelligenz – sollen die Vereinigten Staaten in glorreiche Zeiten katapultieren. Wenn unser Wohlstand nicht im Feuerschweif dieser US-Rakete verglühen soll, muss Europa darauf eine kluge Antwort geben.

    „Kranker Mann Europas“ vs. neue „Deutschland-Idee“

    Klar ist: Es wird nicht reichen, das unaufhaltbare Schrumpfen der ,Old Economy‘ auf unserem Kontinent zu bremsen. Die Welt hat sich weiter gedreht: Apple ist heute 60 mal so viel wert wie Daimler. Microsoft will bis Juni mehr Geld in KI investieren, als BASF an Jahresumsatz plant. 0,7 Prozent der Aktien von NVIDIA entsprechen dem Unternehmenswert der gesamten Salzgitter AG. Wenn neue KI-Firmen wie DeepSeek in den Markt eintreten, verschiebt dies über Nacht Börsenwerte in der Höhe eines Drittels des gesamten DAX. Die Branchen der 90er können den Wohlstand unserer Zeit also nicht länger tragen. Neues Wachstum bedarf neuer Ideen auf neuen Märkten.

    In welchen Branchen der Sound der Zukunft spielt ist indes sonnenklar: Während sich nahezu alle Wirtschaftssektoren der Republik in Stagnation oder Rezession befinden, ist es die deutsche Digitalwirtschaft, die in den letzten vier Jahren mit einem Wachstum von 20,7 Prozent regelrecht explodiert ist. Exakt in diesem Feld liegen auch deshalb die Chancen unseres Landes, weil volkswirtschaftliche Hemmschuhe wie hohe Arbeitslöhne oder die Herausforderungen unserer Demographie in der digitalen Welt weniger ins Gewicht fallen, als in klassischen Industrien. Umso mehr können wir es uns nicht länger erlauben, passiv an der Seitenlinie zu stehen und staunend dabei zuzusehen, wie asiatische und amerikanische Märkte auf diesem Sektor den Wohlstand der Zukunft untereinander verteilen. Gerade in Deutschland, das nicht auf Rohstoffen wie Öl oder Gas sitzt, gilt: Unsere Prosperität entsteht in den Köpfen der Menschen die hier leben. Demnach stecken unsere Zukunftschancen zuvorderst in Innovation und technischem Fortschritt. Um uns aus multiplen Krisen zu befreien, statt erneut der kranke Mann Europas zu werden, brauchen wir folgerichtig eine neue Deutschland-Idee, die auf den Schultern einer durchdachten Tech-Mission stehen muss! 

    Deutschlands ,Hausaufgaben‘: Rechenzentren, Regulierungsmoratorium und KI-Strompreis!

    Damit aus einer solchen Vision Wirklichkeit werden kann, müssen wir den Finger am Puls der dynamischen Entwicklungen des KI-Zeitalters haben und unsere Hausaufgaben machen. Das gilt beispielsweise im Hinblick auf KI-Rechenzentren – die Fabriken der Zukunft, deren Bedarf sich in den nächsten fünf Jahren versechsfachen wird. Dieser darf nicht allein in Übersee gedeckt werden. Stattdessen gilt es eine digitale Zeitenwende zu organisieren, die auch europäische Champions an die Spitze neuer Märkte spült.

    Ähnliches gilt im Hinblick auf unseren Umgang mit Daten. Sie sind die Währung der Zukunft und der Treibstoff moderner Wirtschaft. So sehr ihr Schutz zu Europas DNA gehört, so wichtig sind Lösungen, die Datensicherheit und Innovation unter einen Hut bringen. Denn: Was bringt der beste europäische Datenschutz, wenn wir unsere Daten zur Nutzung in die USA transferieren müssen, weil wir hierzulande den Anschluss verloren haben? Angesichts von über 100 Gesetzen und Verordnungen zur Regulierung des digitalen Raums plädieren wir daher für ein europaweites Regulierungsmoratorium. Ein zweites Fiasko wie bei der Datenschutzgrundverordnung - mit 27 verschiedenen Umsetzungen in allen EU-Staaten und 16 Interpretationen in den deutschen Bundesländern - kann Europa sich bei KI nicht leisten, wenn wir die digitale Zeitenwende als gemeinsamer Wirtschaftsraum auf Augenhöhe mit Asien und den USA mitgestalten wollen. Ab sofort sollte daher gelten: Keine neuen Einschränkungen mehr, bevor die bestehenden Vorgaben miteinander in Einklang gebracht und europaweit homogenisiert worden sind!

    Schließlich darf die Bedeutung von bezahlbarer Energie für das Gelingen einer deutschen Digitalwende nicht unterschätzt werden. Bis auf Weiteres bleibt es nämlich dabei: KI braucht Energie – verdammt viel Energie. Solange in Deutschland mehr als doppelt so hohe Energiepreise aufgerufen werden wie auf der anderen Seite des Atlantiks, können wir im Rennen Richtung digitaler Zukunft nicht mithalten. Dies mit Blickrichtung auf die Märkte der Zukunft zu ändern, muss eine zwingende Lehre aus unserer Abhängigkeit von billigem Gas aus Russland auf den Märkten der Gegenwart sein, die den Krieg zurück nach Europa gebracht hat. Die technische Souveränität und wirtschaftliche Prosperität eines Landes wird in Zukunft existentiell davon abhängen, ob man in seinen KI-Fabriken zu wettbewerbsfähigen Preisen rechnen lassen kann. Um die digitale Zukunft auf Augenhöhe mit Asien und den USA gestalten zu können, braucht Deutschland deshalb dringend einen adäquaten KI-Strompreis, um moderne Rechenzentren konkurrenzfähig betreiben zu können.

    Europäische technische Souveränität: Nicht autark, aber unabhängig!

    Wer eine derart voraussetzungsreiche Tech-Mission proklamiert, muss sich freilich der Frage stellen: Lohnt sich das angesichts der gewaltigen Innovationsdynamik und schwindelerregenden Investitionsbereitschaft in des USA überhaupt noch? Ist der Zug jedweder technischen Souveränität Europas nicht längst ohne Deutschland abgefahren?

    Wir meinen: Ja und Nein. Einerseits illustrieren kometenhafte Markteintritte wie derjenige von DeepSeek eindrucksvoll, wie volatil und chancenreich das Marktgefüge ist. Andererseits ist europäische oder gar deutsche Autarkie gegenüber US-Technologien im Bereich der Digitalwirtschaft weder realistisch noch notwendig. Uns dagegen per konzertierter europäischer Kraftanstrengung hinreichend viel Unabhängigkeit zu erarbeiten, um weiterhin eigenständige Entscheidungen zwischen mehreren Alternativen treffen zu können, ist ebenso möglich wie dringend angezeigt. Es gilt, den richtigen Mix aus Kooperation und Autonomie zu finden.

    Auf der Welle statt darunter: Europa muss seine Rolle finden!

    Nicht anders verhält es sich auf der Suche nach Marktsegmenten, auf denen überhaupt noch Platz für die erhoffte Entwicklung deutscher Tech-Player von Weltrang ist. Hierbei dürfte es beispielsweise nur bedingt sinnvoll sein, heutzutage noch viel Geld in die Entwicklung weiterer großer Sprachmodelle zu investieren, um mittelfristig doch noch dritter Sieger auf einem Sektor zu werden, den längst Andere mit Erfolg beackert haben. Zum Glück hat der KI-Urknall der letzten Jahre aber ein ganzes Universum potenzieller neuer Märkte eröffnet, die noch weitgehend unergründet sind.

    Für Deutschlands Digitalwirtschaft ist es nun an der Zeit, innerhalb dieser Galaxien der unbegrenzten Möglichkeiten ihre ganz eigene Milchstraße zu finden – mitsamt deutscher Alleinstellungsmerkmale auf den digitalen Zukunftsmärkten. Als Kompass empfiehlt sich bei dieser Suche die konsequente Orientierung an unseren bisherigen Stärken, die uns über Jahrzehnte zum G7-Staat gereift haben. Selbige systematisch mit neuen Technologien zu kombinieren, kann unser deutsches USP der Moderne werden.

    Konkret und beispielhaft: Wenn Deutschland bessere Autos baut als der Rest der Welt, können wir womöglich auch die besten Quantencomputer der Erde erschaffen. Wenn es unser Land ist, das demnächst Industriedatenmodelle entwickelt und zu Weltruhm bringt, sind wir nicht weniger erfolgreich als die amerikanischen Erfinder großer Sprachmodelle. Wenn Deutschland den GovTech-Sektor erobert, geht die Republik ebenso als Sieger der KI-Revolution vom Platz, wie die Betreiber von Cloud-Infrastrukturen aus den USA oder Social-Media-Plattformen aus Asien.  

    Die nächste Welle des KI-Tsunamis steht vor unserer Türe. Wenn Deutschland in seinem digitalen Dornröschenschlaf verbleibt, werden wir davon überrollt. Noch können wir aber auch aufwachen und die Chance ergreifen, auf dieser Welle in eine glorreiche Zukunft zu surfen. Spätestens Trumps ,Stargate‘ muss unser Weckruf dafür sein!

    Zur Person: Fabian Mehring ist Bayerischer Staatsminister für Digitales.

    Zur Person: Gordon T. Rohrmair ist Präsident der Technischen Hochschule Augsburg

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    1 Kommentar
    Wolfgang Boeldt

    Ich wiederhole mich in einigen Punkten bewußt, aber so wie "Stargate" ins Leben gerufen wurde - so packt man eben Dinge an. Ob das alles nun so klappt steht auf einem anderen Blatt Papier. Beim Regulierungstiger EU würde so eine Initiative mindesterns 2 Jahre dauern. Egal - der KI-Zug fährt in den USA, China und (vermutlich auch) Indien schon auf Hochtouren.

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