Die Debatte war lang und hitzig. Doch nun können sich Millionen von Gaskunden und Gaskundinnen passend zur kalten Jahreszeit auf eine milliardenschwere Soforthilfe freuen. Die entsprechende Regelung brachte das Kabinett am Mittwoch auf den Weg. Mehr noch: Bund und Länder einigten sich anschließend auf weitere Hilfen, darunter ein Energiepreisdeckel sowie das 49-Euro-Ticket für Busse und Bahnen. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) sprach da von der „größten Tarifreform im Öffentlichen Personennahverkehr in Deutschland“. Die Länder waren zum Abschluss der Beratungen mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) zwar nicht ganz zufrieden. „Wir hätten uns überall und immer noch mehr vorstellen können“, sagte der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und nannte als Beispiel die Wohngeldreform. Unterm Strich sei die Lösungen aber „vertretbar“.
Im Dezember soll für Verbraucher keine Voraus- oder Abschlagszahlung für Gas anfallen
Für Letztverbraucherinnen und -verbraucher von Erdgas entfällt nach dem Willen des Kabinetts im Dezember die Pflicht, Voraus- oder Abschlagszahlung zu leisten. Falls doch Beträge überwiesen wurden, sind sie in der nächsten Rechnung vom Lieferanten zu berücksichtigen. Mieterinnen und Mieter, bei denen die Gaskosten über den Vermieter gehen, müssen demnach etwas mehr Geduld aufbringen. Ihre Entlastung erfolgt über die Betriebskostenabrechnung 2022, die erst im kommenden Jahr erstellt wird. Bundestag und Bundesrat müssen noch ihre Zustimmung erteilen, die jedoch gilt als sicher.
Am Nachmittag ging Scholz dann in die Beratungen mit den Ländern. Beide Seiten einigten sich dabei unter anderem auf die Details der Energiepreisdeckel für Gas und Strom. Beim Gas sollen Haushalte und kleinere Unternehmen für 80 Prozent ihres bisherigen Verbrauchs einen garantierten Bruttopreis von 12 Cent pro Kilowattstunde zahlen. Damit ein Anreiz zum Energiesparen bestehen bleibt,
der Vertragspreis. Für Fernwärme liegt der garantierte Bruttopreis demnach bei 9,5 Cent pro Kilowattstunde. Ob die Gaspreisbremse bereits im Januar zieht oder erst im Februar, war zunächst noch offen.So funktioniert die Gaspreisbremse: Bis 80 Prozent Gas-Verbrauch gilt ein Preis
Beim Strompreisdeckel werden ab Januar (analog zur Gaspreisbremse) 80 Prozent des bisherigen Verbrauchs für einen Bruttopreis von 40 Cent je Kilowattstunde bereitgestellt. Für die Industrie gelten jeweils andere Regelungen und für Härtefälle sind Ausnahmen vorgesehen. Bezahlt werden soll das alles zunächst aus dem 200 Milliarden Euro schweren Abwehrschirm, dem „Doppel-Wumms“, den die Ampel-Koalition bereits beschlossen hat.
Dann gibt es da noch das dritte Entlastungspaket im Volumen von 65 Milliarden Euro, das ebenfalls Bestandteil der Bund-Länder-Diskussion war. Das 49-Euro-Ticket als Nachfolge des 9-Euro-Tickets soll daraus bezahlt werden, die finanziellen Fragen seien geklärt, erklärte Minister Wissing. Offen ist, wann es kommt. „Unser Ziel ist es, das Ticket so schnell wie möglich einzuführen“, erklärte Wissing.
Bestandteil des Pakets ist aber auch die Abschöpfung sogenannter Zufallsgewinne von Stromproduzenten und hier wartet unter anderem auf die Betreiber von Wind- und Biogasanlagen erheblicher Ärger. Die Regierung will nicht etwa nur Gewinne, sondern Erlöse abschöpfen, und das rückwirkend ab dem 1. September. Die Branche ist deswegen massiv verunsichert und stellt vorsichtshalber reihenweise Projekte ein.
Unterbringung von Geflüchteten: Bund übernimmt 1,5 Milliarden Euro, Länder 1,25 Milliarden
Bei der Unterbringung von Flüchtlingen gibt es nun eine „dauerhafte Lösung“, wie Weil erklärte. Flüchtlinge aus der Ukraine sollen demnach sofort in die Grundsicherung aufgenommen werden. Dafür will der Bund laut Kanzler Scholz dieses und nächstes Jahr 1,5 Milliarden Euro aufbringen. Weitere 1,25 Milliarden gibt es für Flüchtlinge aus anderen Ländern.
Die Einführung des Bürgergeldes war nicht Gegenstand der Beratungen, wie der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sagte. Die unionsgeführten Länder sind derzeit nicht bereit, die Pläne der Ampel mitzutragen.