Ein Jahr lang kannte der Gaspreis quasi nur eine Richtung: nach oben. Erst stieg mit Ende der Corona-Lockdowns die Nachfrage, dann sank mit Beginn des Ukraine-Krieges das Angebot. Wladimir Putin nutzte russisches Gas als Druckmittel und löste an den Märkten eine regelrechte Kostenexplosion aus. Doch jetzt die Trendwende: Gas wird günstiger, zumindest an der Energiebörse.
Gaspreise: Die Panik an den Märkten ist erstmal verflogen
Lag der Preis dort im Sommer zwischenzeitlich bei mehr als 340 Euro pro Megawattstunde (für die Lieferung im Folgemonat), ist er nun erstmals seit langem wieder unter 100 Euro gefallen. Haken an der Sache: Auch wenn sich die Panik an den Märkten aufgelöst hat, ist das immer noch viel mehr als in den vergangenen Jahren.
Hauptgrund für die aktuelle Entspannung ist das Wetter. Weil Europa einen milden Herbst erlebt, fällt Energiesparen leicht. Die Gasspeicher sind besser gefüllt als erwartet und das, obwohl Lieferungen aus Russland massiv reduziert wurden. Das Ziel der Bundesregierung von 95 Prozent Füllstand bis Anfang November, das im Sommer noch als sehr optimistisch gegolten hatte, ist mit mehr als 97 Prozent schon übererfüllt.
Für Gaskunden wird es nicht noch teurer, aber trotzdem teurer
Aus Sicht von Experten gibt das Anlass zur Zuversicht für diesen Winter. Für eine generelle Entwarnung scheint es aber zu früh. Für Verbraucherinnen bedeutet die aktuelle Entwicklung banal gesagt: Es wird zwar wohl nicht noch teurer, aber trotzdem teurer.
Die bisherigen Tariferhöhungen sind noch gar nicht bei allen Kunden angekommen. „Die meisten Verträge laufen zwölf Monate, erst danach schlagen die gestiegenen Preise voll durch“, sagt Lundquist Neubauer, Gaspreis-Experte bei Verivox. Nach Berechnungen des Vergleichsportals zahlten Verbraucher im September durchschnittlich 21,75 Cent für eine Kilowattstunde Gas – mehr als dreimal so viel wie im Vorjahr. Und es könnte noch mehr werden, wenn die Versorger, die ihr Gas teils lange im Voraus ordern, ihre Bestände aufgebraucht haben und sich dann zu höheren Preisen am Markt neu eindecken müssen.
Flüssiggas soll schon bald russisches Gas ersetzen
Hinzu kommt: Die Speicher werden sich im Winter leeren und das Bangen geht im neuen Jahr von vorne los. Ob dann überhaupt noch russisches Gas bei uns ankommt, ist ungewiss.
Kai Eckert vom Energieinformationsdienst (EID) würde jedenfalls nicht damit planen und ist trotzdem zuversichtlich, dass Deutschland die fehlenden Mengen etwa durch neue Flüssiggasterminals an den Küsten kompensieren kann. „Ich glaube, wir werden das Ausbleiben des russischen Gases gut ausgleichen und die Speicher wieder füllen können“, sagt Eckert. Er rechnet mit einer „deutlich entspannteren“ Situation als in diesem Jahr, in dem das Land seine Energie-Abhängigkeit so brutal wie nie zu spüren bekommen hat.
Noch sind die neuen Terminals aber nicht in Betrieb. „Es wird schon eine Herausforderung, die entsprechenden Kapazitäten so schnell aufzubauen“, sagt Verivox-Experte Neubauer. Abgesehen davon sei der Transport von Flüssiggas aufwendiger – und damit teurer – als die Gaslieferung über eine Pipeline wie Nord Stream 1.
Neubauer ist zwar optimistisch, dass die Gasversorgung auch ohne Russland gewährleistet ist, kann Verbrauchern und Firmen aber wenig Hoffnung auf sinkende Preise machen. „Es wird eher weiter nach oben gehen.“
Vorerst müssen Kunden also auf den Staat hoffen. Von März 2023 bis Ende April 2024 soll die Gaspreisbremse Schlimmeres verhindern und die Kosten für Verbraucher auf zwölf Cent pro Kilowattstunde deckeln. Die Differenz zu den tatsächlichen Marktpreisen übernimmt der Staat. Damit sich Energiesparen lohnt, gilt die Entlastung nur für 80 Prozent des Gasverbrauchs (gemessen am bisherigen Verbrauch).