Die Energiekrise belastet die bayerisch-schwäbische Wirtschaft massiv, die Erwartungen der Unternehmen in der Region trüben sich weiter ein. Das geht aus einer unserer Redaktion vorliegenden Umfrage der Industrie- und Handelskammer Schwaben (IHK) hervor. Demnach bewerten 51 Prozent der Unternehmen die aktuelle Preissituation bei Strom als schlecht. 83 Prozent rechnen allerdings mit einer weiteren Verschlechterung. Noch deutlicher sind die Zahlen mit Blick auf den für die Industrie so wichtigen Energieträger Gas. Hier rechnen 88 Prozent damit, dass es noch teurer wird. Hinzu kommen die anhaltenden Probleme in den Lieferketten. 25 Prozent der befragten Unternehmen sehen gar die Existenz ihres Geschäftsmodells durch Produktionseinschränkungen oder Ausfälle bedroht.
Marc Lucassen, IHK-Hauptgeschäftsführer, findet deutliche Worte: „Wenn jetzt schon mehr als jedes dritte Unternehmen in Industrie und Bauwirtschaft über Produktionsausfälle oder -einschränkungen klagt, werden wir bei weiteren Kostensteigerungen oder gar einer Mangellage eine deutliche Erosion unserer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erleben.“ Der stark industriell geprägte süddeutsche Raum verspiele gerade seine wirtschaftliche Führungsposition – sowohl innerhalb Deutschlands als auch im internationalen Vergleich. „Produktionsverlagerungen finden bereits statt oder sind in Planung“, sagt er. In einigen Firmenzentralen fielen Entscheidungen gegen den hiesigen Wirtschaftsstandort. „Das sind klare Vorboten einer De-Industrialisierung unserer Region.“ Lucassen fordert: „Wir müssen verhindern, dass sich die Energiekrise zur Axt am Stamm des Wirtschaftsstandorts Bayerisch-Schwaben entwickelt.“ Sollte der Staat, so Lucassen, nicht entschlossen handeln, drohe eine Insolvenzwelle. Es gehe darum, sich „einzig und allein auf die Lösung dieser Jahrhundertkrise zu konzentrieren“.
IHK: Weder Bund noch Freistaat haben genügend für den Ausbau der erneuerbaren Energien getan
Lucassen benennt Gründe für die Notsituation: „Weil die erneuerbaren Energien nicht schnell genug ausgebaut wurden, weil der Atom- und Kohleausstieg ohne Rücksicht auf die Verfügbarkeit alternativer Energieträger vorgenommen wurde und weil wir uns sehenden Auges in eine einseitige Abhängigkeit von russischem Erdgas begeben haben.“ Weder im Bund noch in Bayern sei ausreichend dafür Sorge getragen, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien, der Stromnetze und der Speicherkapazitäten den heutigen Anforderungen genügen. „Das rächt sich gerade bitter.“
Die Forschungsstelle für Energiewirtschaft hatte zuletzt geprüft, ob Bayern bei der Energiewende auf einem guten Weg ist. Ergebnis: Bei keinem einzigen Indikator ist der Freistaat auch nur ansatzweise im Plan. Am größten ist die Abweichung bei der Windkraft. Nur rund 5 Prozent des erforderlichen Anlagenzubaus wurden 2021 erreicht.
Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) nimmt die Kommunen in die Pflicht.
Das bayerische Kabinett hatte vergangene Woche beschlossen, die Stromerzeugung mit regenerativen Energien bis 2030 verdoppeln zu wollen. Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) sagt unserer Redaktion: „Wir haben massiven Ausbaubedarf vor allem auch bei den kleinen Verteilnetzen, um die Erneuerbaren überhaupt ins Netz zu bringen.“ Zugleich appelliert er mit Blick auf den Ausbau der großen Stromtrassen: „Ohne die Akzeptanz vor Ort in den Kommunen wird es nicht funktionieren.“ Auch er sieht den Freistaat an einem gefährlichen Punkt – verweist allerdings nach Berlin. „Eine sichere und bezahlbare Versorgung mit Strom und Gas ist die Basis für unsere Industrie“, sagt er. „Mit der energiepolitischen Orientierungslosigkeit der Ampel-Koalition steht diese Versorgung jetzt auf der Kippe.“