Nach der ersten EM-Woche ist es an der Zeit, Ernst Happel aus der Fußballkiste zu kramen. Jenen kauzigen Wiener, der längst auf dem Zentralfriedhof ruht. Happel war nicht nur ein großartiger Trainer, sondern auch ein begnadeter Kicker. Der Schmäh kam nie zu kurz. Als Spieler hat er dem eigenen Torhüter den Ball ins Tor gesetzt. Mit voller Absicht. Happel hatte vor dem Match gegen Sturm Graz gegen seinen Torwart gewettet, dass dieser nicht ohne Gegentor bleiben würde. Es lief gut für den Keeper. Rapid Wien führte 9:0. Da Graz einen Treffer nicht gebacken bekam, drehte Happel auf dem Feld um und bolzte den Ball ins eigene Netz, um sich den Wettgewinn zu sichern.
Nun ist das nicht der Prototyp des Eigentores. Eher ist es ein missglückter Klärungsversuch, ein missratener Kopfball, wie er Antonio Rüdiger im deutschen Eröffnungsspiel gegen Schottland unterlief oder ein Querschläger. Das passiert selbst den Fußballgöttern. Torwart Sepp Meier fragte einst nach zwei Eigentoren des Kaisers seinen Trainer: "Und wer deckt heute den Beckenbauer?"
Karl Eigentor ist der erfolgreichste EM-Torschütze mit fünf Treffern
Bei der EM in Deutschland trafen nach 19 Spielen bereits fünf Spieler ins eigene Netz. Nicht Harry Kane, Cristiano Ronaldo oder Jamal Musiala sind die Torjäger. Wäre Eigentor ein Name, er wäre der erfolgreichste EM-Torschütze – Karl, Konrad oder Kevin Eigentor. Bei dem Turnier in Deutschland ist der Eigentor-Rekord in Gefahr, der mit elf Treffern bei der EM 2021 aufgestellt wurde. Geht es mit dieser Quote weiter, käme das Turnier auf 14. Keine guten Aussichten für Herrn Eigentor. Denn anders als Ernst Happel wünscht sich der heutige Eigentorschütze, dass sich der Boden vor ihm auftun und er in diesem Loch verschwinden möge.