Sie ließen sich nicht beirren, die Juroren des Nobelpreiskomitees in Oslo. Je lauter die Rufe wurden, in diesem Jahr die Ehrung angesichts der Kriege in der Ukraine oder dem Nahen Osten auszusetzen, desto klarer wurde: Es musste auch 2024 eine Auszeichnung geben. Anders als während des Ersten Weltkrieges 1914 bis 1916, in den Jahren 1940 bis 1943 als der zweite große Weltbrand tobte und – am ehesten vergleichbar mit der aktuellen Situation – 1972, auf dem Höhepunkt des Vietnam-Krieges.
Der Zweite Weltkrieg, genauer dessen tragisches Ende in Fernost, bildet den Hintergrund für die Entscheidung, die am Freitag verkündet wurde: Weinend vor Rührung nahm der Vorsitzende von Nihon Hidankyo, Tomoyuki Mimaki, die Nachricht vom Preisgewinn entgegen. Die japanische Friedensorganisation ist eine Gründung der „Hibakusha“ – so werden die Atombombenopfer in Japan genannt, die 1945 die US-Nuklearangriffe auf Hiroshima und Nagasaki überlebten. Nach Schätzungen forderte der Atomschlag mindestens 120.000 Opfer. Weit schwerer zu ermitteln ist die Zahl der Menschen, die später an Verbrennungen oder massiven Verstrahlungen starben. Nach konservativen Studien sind es mindestens genauso viele wie am jeweiligen Tag der Detonation.
Die Zahl der Nominierungen war deutlich geringer als in früheren Jahren
Nominiert waren 286 Kandidatinnen und Kandidaten, unter ihnen 197 Persönlichkeiten und 89 Organisationen. Das klingt viel, die Zahl ist aber deutlich geringer als in den letzten Jahren. Das Anforderungsprofil ist dem Renommee der Auszeichnung entsprechend herausfordernd. Preiswürdig ist, wer „am meisten oder am besten auf die Verbrüderung der Völker und die Abschaffung oder Verminderung stehender Heere sowie das Abhalten oder die Förderung von Friedenskongressen hingewirkt und im vergangenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen erbracht“ hat.
So gesehen, ist Nihon Hidankyo tatsächlich geeignet. Zumal im nächsten Jahr der 80. Jahrestag der Atombombenabwürfe über Japan begangen wird. Die Organisation galt vor einigen Jahren bereits als heißer Tipp für die Ehrung. In Japan ist der Kampf für eine Welt ohne Atomwaffen aus naheliegenden Gründen besonders verankert und populär. Zeitzeugen, die bei der Organisation gearbeitet haben oder noch arbeiten, genießen im Land ein hohes Ansehen. Einer der bekanntesten unter ihnen war der Militärarzt Shuntaro Hida, Jahrgang 1917. Der Mediziner gründete 1978 eine Spezialklinik unweit der Hauptstadt Tokio, in der Atombombenopfer und später zunehmend auch deren Kinder und Enkel, die schwere gesundheitliche Probleme geerbt hatten, behandelt wurden. Als Shuntaro Hida, der bis zu seinem 92. Lebensjahr Direktor des Hospitals war, 2017 starb, war die Anteilnahme unter den Japanerinnen und Japanern enorm.
Die Ächtung von Atomwaffen war nicht erfolglos
Dass die Ächtung der verheerendsten aller durch Menschenhand geschaffenen Waffen nicht erfolglos ist, belegt der Umstand, dass die Abwürfe in Hiroshima und Nagasaki die einzigen Militärschläge mit Atomwaffen in einem Krieg gewesen sind. Dass die Gefahr einer Wiederholung gebannt ist, dürften jedoch nur ausgemachte Optimisten behaupten. Es ist gar nicht lange her, dass der russische Diktator Wladimir Putin für seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine unverhohlen mit einem Einsatz von Nuklearwaffen gedroht hat, falls Russland durch von der westlichen Allianz gelieferte Waffen existenziell bedroht werden würde.
Im vergangenen Jahr, das nur wenig friedlicher als 2024 verlaufen ist, hatte die iranische Frauenrechtlerin Narges Mohammadi den Friedensnobelpreis erhalten. Trotz der großen Aufmerksamkeit, die der Aktivistin weltweit nach der Ehrung zuteilwurde, sitzt sie nach wie vor in einem Gefängnis ihres Heimatlandes.
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