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Friedensnobelpreis 2021: Journalisten geehrt: Mutig, hartnäckig, eines Nobelpreises würdig

Friedensnobelpreis 2021

Journalisten geehrt: Mutig, hartnäckig, eines Nobelpreises würdig

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    Dmitri Muratow und Maria Ressa erhalten den Friedensnobelpreis 2021.
    Dmitri Muratow und Maria Ressa erhalten den Friedensnobelpreis 2021. Foto: Alexander Zemlianichenko/Aaron F, dpa

    Maria Ressa und Dmitri Muratow – eine Journalistin und ein Journalist sind Friedensnobelpreisträger. Ausgezeichnet für ihren so riskanten wie selbstlosen Kampf gegen die Einschränkung der Meinungsfreiheit in ihren Ländern. Das ist ein wichtiges Signal, andererseits auch ein Symbol dafür, dass die Freiheit der Medien in vielen Ländern fundamental bedroht ist. „Frau Ressa und Herr Muratow erhalten den Friedenspreis für ihren mutigen Kampf für die freie Meinungsäußerung auf den Philippinen und in Russland“, hieß es vom Nobelkomitee zwar zum einen. „Gleichzeitig sind sie Vertreter aller Journalisten, die für dieses Ideal in einer Welt eintreten, in der Demokratie und Pressefreiheit immer widrigeren Bedingungen begegnen.“

    So wie in Russland. Die Heimat des Journalisten Dmitri Muratow, einer der beiden Preisträger. Noch am Tag vor der überraschenden Nachricht hatte er seiner Kollegin Anna Politkowskaja gedacht, in deren Büro im Zentrum Moskaus es immer noch so aussieht, als hätte sie ihre Brille schnell auf den Tisch vor den alten Rechner gelegt und wäre nur kurz rausgegangen. Doch Anna Politkowskaja ist tot. Vor 15 Jahren in ihrem Haus in Moskau erschossen, weil sie eine Unbequeme war. Weil sie über die Verbrechen in Tschetschenien schrieb und weil sie sich kaum aufhalten ließ. Auch nicht von Dmitri Muratow, ihrem Chefredakteur bei der Nowaja Gaseta.

    Muratows frühere Kollegin Politkowskaja wurde ermordet

    Muratow ist ein ruhiger Mensch. Und ein bestimmter. Politkowskaja hatte er einst verboten, nochmals nach Tschetschenien zu fahren. Sie tat es dennoch. Muratow vertraute ihr. Immer. Und er verkündete in der Redaktion ihren Tod. Wie er den Tod seiner weiteren fünf Kolleginnen und Kollegen am runden Redaktionstisch mitteilen musste. Getötet, weil sie ihrer journalistischen Arbeit nachgegangen waren. Die Auftraggeber für den Mord an Politkowskaja sind bis heute nicht gefasst. Russland hält die Tat mittlerweile für verjährt.

    Als am Freitag das Telefon von Muratow klingelt, drückt der 59-Jährige den Anruf aus Norwegen weg. Er habe die Nummer für Spam gehalten. „Jetzt lache ich“, sagt er kurz später russischen Medien – und will den Friedensnobelpreis russischen Journalistinnen und Journalisten widmen. „Wir werden mit dem Preis all jenen helfen, die Repressionen unterworfen sind, die der Staat zu Agenten macht, die er drangsaliert und ins Exil treibt“, sagt Muratow. Der Preis sei nicht sein Verdienst, sondern „der Verdienst all jener, die für die Pressefreiheit starben.“ Der Kreml gratuliert. „Muratow ist seinen Idealen verpflichtet. Er ist talentiert und mutig“, heißt es in einem kurzen Statement. Muratow und sein Team stehen wie kaum jemand anderes im Land für eine kritische, für den Staat unbequeme Berichterstattung. Die Zeitung gehört zu 51 Prozent dem Redaktionskollektiv, weitere zehn Prozent hält der ehemalige sowjetische Präsident Michail Gorbatschow, den Rest der Ex-Duma-Abgeordnete Alexander Lebedew. Die Themen, mit denen sich das Blatt beschäftigt – Folter, Konflikte, Korruption, Organisierte Kriminalität, Tod – können auch in die Enge treiben, können für Schreibblockaden sorgen, für Tränen. Es gibt nur eine Regel: Über Angst spricht niemand bei der Nowaja.

    Seit den 80er Jahren ist Muratow Journalist. Die Zeitung gründete er mit sieben Kollegen 1992. Im Jahr 1995 übernahm er den Chefredakteursposten. „Wir sind eine Zeitung, die den Menschen dient, nicht der Staatsmacht.“

    So wie auf den Philippinen – auch dort ist es lebensgefährlich, unabhängig und kritisch zu recherchieren. Genau dieses Geschäft betreibt Maria Ressa. Die Gründerin des bahnbrechenden Online-Portals Rappler, betonte kurz nach der Preisvergabe: „Eine Welt ohne Fakten bedeutet eine Welt ohne Wahrheit und Vertrauen.“ Für Ressa, die wohl bekannteste Journalistin der Philippinen, ist es nicht die erste renommierte Auszeichnung: Schon vor dem Friedensnobelpreis war sie für ihre Arbeit als investigative Reporterin und Medien-Innovatorin mit Preisen überhäuft worden – so 2018 vom US-Magazin Time als Person des Jahres und Wächterin im „Krieg gegen die Wahrheit“.

    Die bereits mehrfach ausgezeichnete philippinische Journalistin Maria Ressa erhält den Nobelpreis für ihre unerschrockene Arbeit für das freie Wort.
    Die bereits mehrfach ausgezeichnete philippinische Journalistin Maria Ressa erhält den Nobelpreis für ihre unerschrockene Arbeit für das freie Wort. Foto: Bullit Marquez, dpa

    Als sie die Nachricht von ihrem Nobelpreis-Gewinn erreichte, war Ressa gerade in einem Online-Seminar – über unabhängigen Journalismus. 2012 hatte die in Manila geborene und in den USA aufgewachsene Journalistin Rappler mitgegründet. Dort werde unter anderem dokumentiert, „wie soziale Medien genutzt werden, um Fake News zu verbreiten, Gegner zu verfolgen und den öffentlichen Diskurs zu manipulieren“, würdigte das Nobelkomitee in Oslo. Zuvor hatte sie viele Jahre lang die CNN-Büros zunächst in

    Maria Ressa hat in New York studiert

    Sie hat zudem zwei Bücher über Terrorismus in Südostasien verfasst. Als Chefredakteurin von Rappler ist Ressa, die unter anderem an der renommierten Princeton-Universität in New Jersey studierte und 1986 in ihre Heimat zurückkehrte, immer wieder mit dem philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte aneinandergeraten. Ausführlich berichtete sie zusammen mit ihren Mitstreiterinnen – Rappler wird hauptsächlich von Frauen geführt – über die international umstrittene Anti-Drogen-Kampagne Dutertes. Seit 2016 sollen bereits Tausende Menschen von Todeskommandos ermordet worden sein, vor allem in den Slums des Inselstaates.

    Rappler publizierte Details über Fälle, in denen die Tötungen völlig ungerechtfertigt schienen und Geschichten über die Familien der Opfer. Seither ist Ressa bedroht, mehrmals verhaftet und auch verurteilt worden. (mit dpa)

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