Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Fridays for Future: Ist die Klimabewegung am Ende?

Pro und Contra

Ist die Klimabewegung Fridays for Future am Ende?

    • |
    Am 24. September 2021 konnte "Fridays for Future" noch Massen mobilisieren. Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg hat in Berlin auch daran geteilnommen.
    Am 24. September 2021 konnte "Fridays for Future" noch Massen mobilisieren. Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg hat in Berlin auch daran geteilnommen. Foto: Jörg Carstensen, dpa

    Pro: Fridays for Future ist am Ende

    Stell Dir vor, es ist Klimademo und keiner geht hin. Am Freitag wird das sehr wahrscheinlich den Organisatoren von Fridays for Future geschehen. Auf dem Höhepunkt der Bewegung folgten ihnen Hunderttausende im ganzen Land, um für einen konsequenten Kampf gegen die Aufheizung der Erde zu demonstrieren. Doch von dieser Energie und Vitalität ist heute nur noch ein fahler Abglanz übrig. 

    Das hat mehrere Ursachen. Die Erfinderin der Demos, die Schwedin Greta Thunberg, hat sich mit ihren energischen anti-israelischen Positionen seit dem Hamas-Terror vom 7. Oktober selbst unmöglich gemacht. Wurden vor ein paar Jahren noch gemeinsame Fotos mit der Ikone stolz herumgezeigt, verschwinden sie heute zumindest in Deutschland in der Ablage. Als Inspirationsquelle fällt Thunberg aus. Ob sie noch die Kraft hätte, um die Massen auf die Straße zu holen, ist aber ohnehin fraglich.

    Bewegungen laufen sich mit der Zeit sprichwörtlich tot. Das kann daran liegen, dass andere Themen in der Debatte wichtiger werden (Ukraine-Krieg, Gaza-Krieg) oder daran, dass der eigene Protest keine schnellen Erfolge zeitigt und als wirkungslos begriffen wird. Fridays for Future trifft wohl eine Mischung aus beidem. Nur noch der harte Kern macht sich auf, die anderen bleiben zu Hause. 

    Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg kämpft jetzt für die Sache der Palästinenser, wie hier bei einer Demonstration in Leipzig.
    Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg kämpft jetzt für die Sache der Palästinenser, wie hier bei einer Demonstration in Leipzig. Foto: Raik Schache, dpa/LVZ

    Fridays for Future holt zudem das Schicksal aller Utopien ein. Wenn es zum Treffen mit der Wirklichkeit kommt, wehren sich die Beharrungskräfte. Die lassen sich nur in Ausnahmefällen durch Demonstrationen brechen. Das war das Missverständnis der Bewegung. Der Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft auf klimafreundlich und nachhaltig dauert Jahrzehnte. Geld und Arbeitskräfte sind begrenzte Ressourcen, die nicht per Federstrich herbeigezaubert werden können. Deutschland soll ein Industrieland bleiben, ohne Wirtschaftswachstum ist es schwierig, den Sozialstaat zu finanzieren. 

    Zum Rendez-Vous mit der Realität gehört, dass die große Mehrheit zwar für Klimaschutz ist, bei Windrädern und Stromleitungen vor der Haustür plötzlich aber nicht mehr ganz so überzeugt ist vom hehren Zweck. Das lehrreichste Beispiel ist das vermurkste Heizungsgesetz. Es hat die Ampel-Koalition enorm viel Vertrauen gekostet, als Reaktion fassen alle Parteien den Klimaschutz nur noch mit spitzen Fingern an. Dass ausgerechnet Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen dafür verantwortlich ist, gehört zur bitteren Ironie seiner Karriere. 

    Von Fridays for Future wurde die Ökopartei übrigens dafür kritisiert, dass ihr Programm nicht genüge, um Klimaschutzziele zu erreichen. Politische Themen sind wie Mode, sie kommen und gehen in Wellen. Es ist gut möglich, dass der Kampf gegen Erderwärmung in einigen Jahren wieder zurückkommt. Derzeit ist die Welle verebbt. (Christian Grimm)

    Contra: Fridays for Future ist gelungen, was die Wissenschaft in drei Jahrzehnten nicht geschafft hat

    Wenn die Klimaaktivisten von Fridays for Future an diesem Freitag wieder einmal zum großen Streiktag aufrufen, wird das nur ein Abglanz dessen sein, was einmal war. Die große Zeit der Fridays, als Greta Thunberg vor der Uno-Vollversammlung und in Davos sprach und den Weltpolitikern die Leviten las ("How dare you"), ist vorbei. Die Galionsfigur macht mittlerweile Schlagzeilen als Pro-Palästina-Aktivistin. Gescheitert ist die Graswurzelbewegung trotzdem nicht. Der Klimawandel mit all seinen drastischen Auswirkungen war ja keine Erfindung der Schülerinnen und Schüler, er schreitet weiter voran und lässt sich mittlerweile fast täglich beobachten, wenn einen neue Nachrichten von Extremhitze hier und Rekordflut dort erreichen.

    Der Klimawandel passiert. Und Fridays for Future hat es geschafft, was der Wissenschaft drei Jahrzehnte lang zuvor nur bedingt gelungen ist - den Politikerinnen und Politikern den Ernst der Lage zu vermitteln und sie zum Handeln zu bringen. Es gibt fast keine Partei mehr, die den Klimaschutz nicht fest als Thema verankert hat. Und bei allem Zerreden des Gebäudeenergiegesetzes - diese Bundesregierung ist als erste eines der größten Probleme beim Verringern der Kohlendioxid-Emissionen angegangen: die Heizungen der Bestandsgebäude, die noch zu einem großen Teil auf die fossilen Brennstoffe Gas und Öl zurückgreifen. 

    Mehr als Wachrütteln und Aufmerksam-Machen kann man von einer solchen Schüler-Bewegung nicht erwarten. Und das ist ihr gelungen. Wenn heute die Politik im Angesicht der anderen Krisen wie der Corona-Pandemie und der neuen geopolitischen Bedrohung durch den Ukraine-Krieg den Kompass verliert und den Klimaschutz wieder vermehrt hintan stellt, sollte nicht schadenfroh auf den Fridays herumgehackt werden, weil die Bewegung nicht mehr so viel Jugend mobilisieren kann. 

    Man sollte sich andersherum die Frage stellen, was für ein Armutszeugnis es ist, dass immer noch die Schülerinnen und Schüler die Flagge des Klimaschutzes hochhalten müssen, damit etwas weiter vorangeht. Längst müsste die ganze Gesellschaft begriffen haben, dass der ungebremste voranschreitende Klimawandel eine extreme Bedrohung für alle darstellt, nicht erst irgendwann in der Zukunft, sondern auch schon heute. Die ganze Gesellschaft sollte der Politik Beine machen, den Klimaschutz weiter ernst zu nehmen. Klimaschutzpolitik ist genauso wichtig wie die Renten- und Sozialpolitik. (Richard Mayr)

    Hören Sie sich dazu auch unseren Podcast mit Ingo Blechschmidt über Klimacamp, Letzte Generation und Augsburg an:

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden