Zu den Versprechen Emmanuel Macrons bei seiner Wahl 2017 gehörte der Vorsatz, er werde alles dafür tun, dass die Menschen fünf Jahre später keinen Grund mehr haben, für die Extremen zu stimmen. Damit ist er gescheitert. Denn der Mitte-Politiker schwächte nur die moderaten Volksparteien, die sich weit von ihrer alten Bedeutung entfernt haben. Die radikalen Strömungen sind hingegen so stark wie nie. Realistische Chancen, neben Macron in die Stichwahl einzuziehen, hatten nur die Rechtsextreme Marine Le Pen, der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon und weiter hinten der Ultrarechte Éric Zemmour.
Macrons Kalkül war es durchaus, im zweiten Durchgang keinem gemäßigten, sondern einem radikalen Kandidaten gegenüberzustehen, um die eigenen Wahlchancen zu erhöhen. Erneut wollte er diese Wahl als Entscheidung zwischen rückwärtsgewandten Nationalisten und progressiven Weltbürgern zuspitzen.
Manche sehen in Macron einen Vertreter einer abgehobenen Elite
Doch die Spaltung, die dadurch zutage tritt, ist zutiefst gefährlich. Sie entstand auch, weil sich viele Menschen vor allem in ländlichen Regionen von Macrons Amtsführung vor den Kopf gestoßen fühlten. Sie nahmen ihn als Vertreter eines abgehobenen Eliten-Systems war, der sie bei seinen Entscheidungen nicht mit berücksichtigte. Dass seine Regierung während der Corona-Pandemie so großzügige Staatshilfen gewährte wie kaum eine andere und dass er mit der wirtschaftlichen auch die soziale Situation des Landes verbesserte, weil er Jobs schuf und Frankreich wieder attraktiver machte, vermochte er nicht zu vermitteln. Vielmehr blieb hängen, dass er soziale Rechte einschränkte und ab und zu einen verächtlichen Kommentar fallen ließ.
Das schuf einen regelrechten Hass auf den Präsidenten mit dem Image des nervtötenden Klassenbesten, den sich die Radikalen von links wie rechts zunutze machten. Dabei erschüttert, dass rund die Hälfte der Wählerinnen und Wähler in Frankreich für populistische, EU-feindliche und im Fall von Le Pen und Zemmour rassistische Kandidaten stimmten – trotz des in der Ukraine wütenden Krieges. Beide wie auch Mélenchon sahen bis vor kurzem noch den russischen Präsidenten Wladimir Putin mit seinem verblendeten Nationalismus als Vorbild an.
Im Fall eines Sieges der Finalistin Le Pen würde sie die derzeitige harte Gangart der Union gegen Putin abzumildern versuchen, sie würde Frankreich – immerhin ein großes Gründungsmitglied – auf den Weg Ungarns und Polens bringen und der EU damit erheblich schaden. Es wäre ein erheblicher Rückschritt gerade in so unsicheren Zeiten. Europas Schicksal ist eng mit dem von Macron verknüpft.