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Frankreich: Macrons harter Kampf um Frankreichs Rentenreform

Frankreich

Macrons harter Kampf um Frankreichs Rentenreform

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    Am Freitag tritt das wohl umstrittenste Vorhaben von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in Kraft.
    Am Freitag tritt das wohl umstrittenste Vorhaben von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in Kraft. Foto: Ludovic Marin, AFP/dpa

    Eigentlich könnte Präsident Emmanuel Macron aufatmen. An diesem Freitag tritt die im Frühsommer beschlossene Rentenreform in Kraft, das wohl umstrittenste und gefährlichste Unterfangen seiner zweiten Amtszeit.

    Gewerkschaften, Oppositionsparteien und weite Teile der Bevölkerung stellten sich in seltener Einigkeit gegen die schrittweise Erhöhung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre, gekoppelt mit der Verlängerung der zum Erhalt einer Vollrente notwendigen Einzahldauer. Aus Protest dagegen strömten Millionen Menschen ab Jahresbeginn zu den zahlreichen Kundgebungen oder legten die Arbeit nieder.

    Gegen die Rentenreform gab es teils extreme Proteste, wie hier in Toulouse.
    Gegen die Rentenreform gab es teils extreme Proteste, wie hier in Toulouse. Foto: Charly Triballeau, AFP/dpa

    Schon in seiner ersten Amtsperiode scheiterte der Versuch eines umfassenden Umbaus des Rentensystems. Der Beschluss dieser jetzigen Reform war wichtig für Macron, um zu untermauern, dass er unpopuläre Projekte auch ohne Mehrheit in der Nationalversammlung durchsetzen kann. Auch wenn er dafür die Verfassung ausreizte, um die Debatten im Parlament zu verkürzen und das Gesetz letztlich ohne Votum zu beschließen. Das Risiko einer Ablehnung wollte er nicht eingehen. Das hinterlässt einen Makel. 

    Frankreich: Pauschale Abwehrhaltung gegen eine Reform

    Dass es nicht gelang, Kompromisse mit den Parteien der Opposition zu finden, lag allerdings auch an deren pauschaler Abwehrhaltung. Alternativvorschläge kamen nicht auf, stattdessen gaukelten sie den Menschen vor, dass trotz der steigenden Lebenserwartung alles bleiben könne wie bisher. Völlig absurd war die Position der Republikaner, die seit Jahren eine Rentenreform forderten, sich nun aber zierten. Ihnen ging es nicht um die Sache, sondern um Taktik. Konstruktive Koalitionsbildung gehört nicht zur politischen Tradition Frankreichs

    Unvermeidbar war die Reform auch mit Blick auf die Glaubwürdigkeit des Landes vor den europäischen Nachbarn, die oft längst härtere Renten-Regeln haben. Hinzu kommt der hohe Schuldenberg von mehr als 3000 Milliarden Euro. Angesichts der steigenden Zinsen werden diese zu einem riesigen Ausgabe-Posten – es handelt sich um eine Hypothek auf die Zukunft und um Milliarden, die nicht für die Schulen oder die Krankenhäuser zur Verfügung stehen. Während der Rentenbeirat COR vor der Reform deren absolute Notwendigkeit infrage stellte und den Gegnern damit willkommenes Futter gab, sieht er laut eines neueren Berichtes vor, dass die nun beschlossenen Maßnahmen nicht ausreichen, um die Rentenkassen in den kommenden Jahren auszugleichen. Die nächste Rentenreform kommt bestimmt – wenn auch nicht mehr unter Macron. 

    Das Ringen um die Reform hat Frankreichs Präsident Macron geschwächt

    Wirklich aufatmen darf er trotzdem nicht. Das nervenaufreibende Ringen um das Gesetz hat ihn geschwächt, zumal er sich aus den Debatten zurückzog, so als gingen sie ihn nichts an. Das verstärkte die bestehende Distanz zu den Menschen noch. Kaum hatte sich die Lage beruhigt, kam es in diesem Sommer in etlichen französischen Städten und Vororten zu Ausschreitungen, ausgelöst durch den Tod eines 17-Jährigen bei einer Polizeikontrolle. Sie wurden zwar durch ein immenses Polizeiaufgebot beendet. Doch weitreichende Schlüsse aus diesen erschütternden Chaos-Nächten stehen noch aus. 

    Ein Jahr vor Beginn der Olympischen Sommerspiele in Paris herrscht Unruhe im Land. Wie sehr der Präsident nach neuen Rezepten sucht, zeigte seine Gesprächseinladung an alle Vertreter der Oppositionsparteien am vergangenen Mittwoch. Zwölf Stunden lang wurde diskutiert, ohne Kameras, Handys und Berater – eine Premiere in dieser Art. Dies kann ein Anfang sein, um zu einer konstruktiveren politischen Kultur zu finden, in der nicht der autoritär auftretende Staatschef alles bestimmt und alle anderen in einer Frontalopposition verharren. Innovative Formate hat Macron immer wieder gefunden. Zu einem Wandel seines Stils eines Alleingängers führte das noch nicht. Sollte sich dies ändern, wäre das eine hervorragende Nachricht.

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