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Frankreich: Hätte die Bluttat beim Eiffelturm verhindert werden können?

Frankreich

Hätte die Bluttat beim Eiffelturm verhindert werden können?

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    Französische Polizisten patrouillieren auf dem Trocadero-Platz in der Nähe des Eiffelturms, nachdem ein Mann am späten Samstagabend einen deutschen Touristen getötet hat.
    Französische Polizisten patrouillieren auf dem Trocadero-Platz in der Nähe des Eiffelturms, nachdem ein Mann am späten Samstagabend einen deutschen Touristen getötet hat. Foto: Christophe Ena, dpa

    Es begann als Traumreise nach Paris, in die „Stadt der Lichter“, die im Advent besonders hell erstrahlt. Doch der 23-jährige Collin, der die deutsche und die philippinische Staatsangehörigkeit besaß und seit Januar in einem deutschen Altenpflegewohnheim arbeitete, wird nicht mehr von seinem Urlaub zurückkehren. Er starb infolge eines Angriffs durch den islamistischen Attentäter Armand Rajabpour-Miyandoab, der am Samstagabend mit einem Messer und einem Hammer bewaffnet auf Passanten im Umfeld der Brücke Bir-Hakeim in der Nähe des Pariser Eiffelturms losging. Während die beiden Begleiterinnen Collins körperlich unversehrt blieben, verletzte Rajabpour-Miyandoab noch zwei weitere Männer, bevor er festgenommen werden konnte.

    Mit Bekanntwerden seiner Vorgeschichte brach in Frankreich eine Debatte darüber aus, ob und wie die Bluttat hätte verhindert werden können. Denn der 26-jährige Täter, der die französische Staatsbürgerschaft besitzt und in einem Pariser Vorort als Sohn von Iranern geboren wurde, befand sich unter Beobachtung, sein Name stand in der Gefährderdatei. Er hatte wegen eines 2016 geplanten Attentates und aufgrund seines Plans, sich der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) anzuschließen, vier Jahre im Gefängnis verbracht. Auf Facebook ist er mit mehreren Urhebern von Anschlägen in Frankreich befreundet. In Haft und nach seiner Entlassung erhielt Rajabpour-Miyandoab eine Behandlung wegen psychischer Störungen. Allerdings wurde diese mit Einwilligung des koordinierenden Arztes in diesem Frühjahr beendet. Auch seine Medikamente hatte er zu diesem Zeitpunkt bereits abgesetzt. Innenminister Gérald Darmanin sprach von einem „Scheitern bei der psychiatrischen Betreuung“, während seine eigenen Dienste „ihr Maximum im Rahmen der aktuellen Gesetze“ gegeben hätten. 

    Der Attentäter von Paris sympathisierte mit dem IS

    Rajabpour-Miyandoab wuchs in einer atheistischen Familie auf und konvertierte als junger Mann zum Islam, radikalisierte sich schnell. Während er zwar zeitweise sagte, er habe Abstand vom Dschihadismus genommen, meldete seine Mutter im Oktober bei den Behörden ihre Sorge über ein mögliches erneutes Abdriften ihres Sohnes an. Diese Warnung blieb ohne Folgen. In einem vor seiner Tat gedrehten Video bekannte sich der 26-Jährige zum IS. 

    Zwar sagte Regierungssprecher Olivier Véran, dass seine „medizinische, administrative und strafrechtliche“ Verfolgung dem Gesetz und den Regeln in einem Rechtsstaat entsprach. Die daraus aufscheinende Hilflosigkeit ist für die rechte und die rechtsextreme Opposition allerdings eine willkommene Gelegenheit, der Regierung einmal mehr Nachlässigkeit vorzuwerfen. „Der islamistische Terrorismus tötet weiter in Frankreich, seien wir nicht mehr naiv!“, empörte sich der Chef der Republikaner, Éric Ciotti. Der Vorsitzende der rechtsextremen Partei Rassemblement National, Jordan Bardella, beraumte am Montagvormittag eilig eine Pressekonferenz ein, um eine Debatte über die lebenslange Sicherheitsverwahrung für Menschen zu fordern, denen Taten in Verbindung mit Terrorismus vorgeworfen werden. Bei „bestimmten Profilen in unserer Gesellschaft“ seien die Versuche einer Wiedereingliederung oder Deradikalisierung hoffnungslos: „Ich glaube, dass der Platz dieser Leute im Gefängnis ist.“ 

    Rechte Parteien in Frankreich machen mobil

    Innenminister Darmanin, der derzeit versucht, ein neues Einwanderungsgesetz durch das Parlament zu bringen, erklärte, er wolle bei der Auflage zur Therapie ansetzen. Aktuell könne diese ein Richter erlassen, nicht aber der Präfekt als oberster Vertreter des Zentralstaats auf Ebene der Departements in Frankreich. „30 Prozent der wegen Radikalisierung beobachteten Personen haben psychische Störungen“, so Darmanin. „Das sind viele Menschen.“ 

    In Frankreich ist die Sorge groß angesichts von Dutzenden Inhaftierten, die wegen Taten aus terroristischen Motiven heraus mehrjährige Haftstrafen absitzen und in den nächsten Monaten und Jahren freikommen. Laut Darmanin wurden bereits 340 Personen entlassen, in den nächsten Jahren werden es 30 bis 35 weitere sein. Wer garantiert, dass sie ihre islamistische Gesinnung abgelegt haben und nicht zur Tat schreiten, so wie Armand Rajabpour-Miyandoab? 

    Wenn Paris im nächsten Sommer die Olympischen Spiele organisiert, gehört das Thema Sicherheit zu den größten Herausforderungen. In der Stadt werden dann verschiedene Sicherheits-Zonen eingerichtet, deren Zugangserlaubnis nach bestimmten Kriterien erfolgt. Auch wird auf Videoüberwachung mit der Hilfe von Algorithmen gesetzt, damit „solche Sachen gar nicht passieren können“, wie Darmanin sagte – oder vielmehr: wie er hofft. 

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