Es ist ein heikler Geburtstag, von dem lange nicht klar war, ob und wie Frankreichs rechtsextremer Rassemblement National (RN) ihn feiern würde. Am Mittwoch vor 50 Jahren wurde die Partei unter dem Namen Front National (FN) gegründet, doch viele in der aktuellen Führungsriege wollten das Datum einfach übergehen. Seit Jahren versucht der RN, sich von seinen Wurzeln als Sammelbecken von Rassisten, Antisemiten und Homophoben zu distanzieren. Und damit auch von dem langjährigen FN-Vorsitzenden Jean-Marie Le Pen.
Deshalb versicherte der Interims-Chef Jordan Bardella bis vor kurzem noch, es werde keine Feier geben. Er schlug vor, stattdessen „den Vorsitz und die Bilanz von Marine Le Pen“ zum Anlass für ein Fest zu nehmen. Diese löste im Januar 2011 ihren Vater an der Spitze der Partei ab, den sie in der Folge ausschließen ließ. Zu sehr störten die Provokationen des Holocaust-Verharmlosers Le Pen Senior das neue, glattere Bild, das sie dem FN geben wollte. „Entdämonisierung“ wird ihre Strategie genannt. Um das Jubiläum dennoch irgendwie zu würdigen, entschloss man sich schließlich zu einem Kolloquium über die Parteigeschichte in der Nationalversammlung. Dort zogen nach der Parlamentswahl im vergangenen Juni zur allgemeinen Überraschung 89 RN-Abgeordnete ein – ein historischer Erfolg
Jean-Marie Le Pen steht nicht auf der Gästeliste
Jean-Marie Le Pen steht nicht auf der Gästeliste. Der 94-Jährige organisiert Ende Oktober ein eigenes Fest auf seinem Anwesen Montretout im noblen Pariser Vorort Saint-Cloud. Zumindest würden „keine Heuchler, sondern nur Freunde kommen“, hieß es aus seinem Umfeld. Wird er heute als treibende Kraft bei der Parteigründung dargestellt, so handelt es sich dem Politikwissenschaftler Alexandre Dézé zufolge „bei dieser offiziellen Version um ein Umschreiben der Parteigeschichte“. Die eigentlichen Gründer kamen von der postfaschistischen Gruppe Ordre nouveau, unter ihnen waren ehemalige Mitglieder der Waffen-SS und Kollaborateure mit den Nazi-Besatzern. Sie setzten den moderater auftretenden Le Pen als Präsidenten ein, da sie sich mit ihm bessere Wahlchancen versprachen, um die geplante „nationale Revolution“ zu erreichen. Doch Le Pen erlangte die Kontrolle über den Parteiapparat. Handelte es sich in den ersten zehn Jahren um eine Randbewegung, so schickte sie in den 80er Jahren erstmals eigene Abgeordnete in die Nationalversammlung und ins EU-Parlament.
Interne Spannungen führten 1998 zu einer Abspaltung durch Le Pens Rivalen Bruno Mégret – ein Rückschlag für den Parteichef, der zur gleichen Zeit wegen Körperverletzung einer sozialistischen Bürgermeisterin zum Entzug des passiven Wahlrechts und einer dreijährigen Bewährungsstrafe verurteilt wurde. Doch nur vier Jahre später folgte sein größter persönlicher Erfolg, als er bei der Präsidentschaftswahl 2002 die Stichwahl gegen Jacques Chirac erreichte. 15 Jahre später erreichte Marine Le Pen ebenfalls die zweite Runde.
Marine Le Pen treibt echter Machtwille an
Hieß es von Jean-Marie Le Pen oft, er wollte in erster Linie eine Oppositionskraft sein, so treibt seine Tochter ein echter Machtwille an. Um ihre Wahlchancen zu erhöhen, nahm sie Abstand von ihrem umstrittenen Vater. Doch das Erbe, die auf dem Ausschluss von Minderheiten basierende Ideologie des „France first“, trägt sie weiter: Ihre Partei stammt direkt vom früheren Front National ab, so sehr sie sich bemüht, die Spuren zu verwischen.