Eigentlich ist die Pariser Landwirtschaftsmesse eine beliebte Gelegenheit für Politiker, ihre Bodenständigkeit und Liebe zu regionalen Erzeugnissen Frankreichs zu zeigen. Manche von ihnen haben dort schon halbe Tage verbracht, um in Begleitung eines Journalistentrosses Kuhhintern zu tätscheln. Doch als Emmanuel Macron die Großveranstaltung am Wochenende eröffnete, blieb er nur kurz und hatte einen besorgten Gesichtsausdruck. Ihn trieb vor allem die Lage in der Ukraine um. „Dieser Krieg wird dauern“, sagte der Präsident.
Da Frankreich momentan turnusmäßig die EU-Ratspräsidentschaft innehat, ist er, der schon lange nach einer starken Stimme für Europa und einer Bündelung der militärischen Kräfte rief, besonders exponiert. In knapp eineinhalb Monaten wird in Frankreich gewählt, doch seit Wochen heißt es aus seinem Umfeld, er habe keine Zeit für Wahlkampf.
Der Spott über Macrons Telefonate mit Putin ist verstummt
Bis 7. März, wenn die Namen aller Bewerber im Amtsblatt erscheinen, muss er seine Kandidatur offiziell erklären. Seine Rolle als Krisenmanager verstärkt Macrons Position als Favorit mit 24 Prozent in den Umfragen. Der Spott darüber, dass er Russlands Präsidenten Wladimir Putin bis zuletzt mit Telefongesprächen und einem Besuch in Moskau zum Einlenken bewegen wollte, ist verstummt.
Rechtspopulistin Marine Le Pen hatte Macron noch als „kleinen Telegramm-Boten“ von US-Präsident Joe Biden verspottet, der Rechtsextreme Éric Zemmour nannte ihn gar ein „Nichts“. Nun geraden beide in Erklärungsnot und werden massiv geschwächt, waren sie doch bislang glühende Putin-Anhänger, die die Manöver des russischen Präsidenten bis zum Einmarsch in die Ukraine heruntergespielt hatten. Auch in Frankreich sind die Menschen schockiert über diese Entwicklungen.
Le Pen finanzierte ihre Wahlkampagne über russische Banken
Le Pen, die derzeit bei 18 Prozent liegt, nannte Putin jetzt „einen Feind Frankreichs und Europas“. Bis vor kurzem warf sie aber noch den USA vor, einen künstlichen Konflikt als Vorwand für eine Nato-Aufnahme der Ukraine zu schaffen. Vor der Präsidentschaftswahl 2017 hatte Putin Le Pen in Moskau empfangen, wo sie erklärte, sie teile dessen Sicht auf die Ukraine. Da ihr französische Banken keinen Kredit gaben, finanzierte sie damals wie heute ihre Wahlkampagnen mit der Hilfe russischer Banken.
Auch Éric Zemmour, derzeit bei 13 Prozent, verurteilte „uneingeschränkt den russischen Einmarsch“, doch noch vor einem Monat hatte er behauptet, dass Putin „kein Angreifer, sondern der Angegriffene“ sei. In den vergangenen Jahren nannte er den russischen Präsidenten „unseren zuverlässigsten Alliierten“ und schrieb 2016 in einem Buch, die Ukraine existiere nicht, sie sei „ein zusammengestückeltes Land“.
Auch der Linkspopulist Mélenchon stimmt schärfere Töne an
Nun hat er ebenso ein Glaubwürdigkeitsproblem wie der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon (zehn Prozent in Umfragen), der bis zuletzt Verständnis für den russischen Herrscher aufgebracht hatte. Auch Mélenchon sah sich jetzt zu einer Kehrtwende gezwungen und nannte Putin verantwortlich „für einen schrecklichen Rückschritt der Geschichte“.
Die republikanische Kandidatin Valérie Pécresse (derzeit bei 15 Prozent) sagte, all jene, die Putin seit Jahren „grenzenlos bewunderten“, hätten sich diskreditiert, um Frankreich zu regieren. Sie selbst war allerdings zuletzt unter Druck geraten, weil der Präsidentschaftskandidat ihrer Partei 2017, Ex-Premierminister François Fillon, mehrere Tage gewartet hatte, bevor er seine Ämter im Aufsichtsrat zweier russischer Unternehmen Sibur und Zarubezhneft niederlegte.