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Frankreich: Die Diplomatie des Emmanuel Macron: Frankreich an allen Fronten

Frankreich

Die Diplomatie des Emmanuel Macron: Frankreich an allen Fronten

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    Präsident Emmanuel Macron spricht im Elyseepalast in Paris zu französischen Botschaftern.
    Präsident Emmanuel Macron spricht im Elyseepalast in Paris zu französischen Botschaftern. Foto: Yoan Valat (dpa, Symbolbild)

    Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat es eilig: Sein Land ist mental noch nicht so richtig aus der Sommerpause zurück, da reiht der Staatschef schon wieder ein internationales Rendezvous ans andere. Auf dem Programm der vergangenen sieben Tage: eine dreitägige Reise nach Österreich, Rumänien und Bulgarien, der Pariser Migrationsgipfel mit europäischen und afrikanischen Staaten, eine Grundsatzrede zur Außenpolitik und ein Besuch in Luxemburg. Ein Hansdampf in allen Gassen.

    Seit Macrons Amtsantritt vor nicht einmal vier Monaten verfolgt der 39-Jährige ein klar benanntes Ziel: Frankreich soll wieder mehr Bedeutung in der Welt bekommen. Paris müsse als UN-Veto-Land und Atommacht seine Rolle als Gegengewicht ausüben können, schrieb er den in Paris versammelten Botschaftern seines Landes am Dienstag ins Stammbuch. Sie sollten das Bild eines stärkeren und offeneren Frankreichs in die Welt tragen, das überall, wo es kann, für die Lösung von Krisen eintritt.

    Emmanuel Macron: Die französische Euphorie verpufft

    Ob im syrischen Bürgerkrieg, in der Krise am Golf, dem Nahostkonflikt oder der Flüchtlingskrise: Macron will mit allen reden können. Das zelebriert er in großen Gesten wie mit der Einladung von US-Präsident Donald Trump zum Nationalfeiertag nach Paris - französische Medien sprechen von einer "Diplomatie des permanenten Paukenschlags".

    Doch die Demonstration weltpolitischer Stärke geht zunehmend einher mit einer Schwäche daheim, wo die Macron-Euphorie verpufft ist. Seine Beliebtheitswerte sind im Keller, und noch ist kaum eine der versprochenen großen Reformen umgesetzt. Vor diesem Hintergrund nutzt Macron die internationale Bühne zunehmend, um ungeliebte Reformen daheim schmackhaft zu machen.

    Was Macron als Präsident plant

    Europa Macron strebt an, die Eurozone in einer engen Partnerschaft mit Deutschland zu reformieren. Die Eurozone mit 19 Ländern soll einen eigenen Haushalt, ein Parlament und einen Finanzminister bekommen. Diese Pläne sind zwar alles andere als neu, wurden aber bisher nicht in die Tat umgesetzt.

    Einwanderung Er will lokale Integrationsprogramme schaffen. Am aktuellen Flüchtlingskurs will er festhalten. Asylanträge sollen in höchstens sechs Monaten bearbeitet werden.

    Sicherheit Macron will 10.000 neue Polizisten einstellen und 15.000 Gefängnisplätze schaffen. Er plant, die Arbeit der Geheimdienste im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu bündeln.

    Verteidigung Der Mitte-Links-Politiker steht zur Nato. Er will die Verteidigungsausgaben auf 2 Prozent der Wirtschaftskraft steigern.

    Atomkraft Macron steht zum Ziel, den Atomanteil am Strommix bis 2025 von 75 auf 50 Prozent zu senken, und zur Schließung von Fessenheim.

    Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik Der Ex-Wirtschaftsminister will das Land wettbewerbsfähiger machen, das Arbeitsrecht lockern, 120 000 Stellen im öffentlichen Dienst abbauen und in fünf Jahren 60 Milliarden Euro einsparen.

    Die Botschaft: Nur wenn zu Hause aufgeräumt wird, hat Frankreich in der Welt Gewicht. "Es gibt keinen Einfluss ohne Attraktivität", sagte Macron in seiner Grundsatzrede - und deren erste Quelle sei die Wirtschaft. In Bulgarien erklärte er vergangene Woche, die Franzosen verabscheuten Reformen, wenn es nur darum gehe, makroökonomische Zwänge zu erfüllen. Hingegen motiviere es sie, wenn es darum gehe, dem Land "seine wahre europäische Führungsrolle" zurückzugeben. "Frankreich findet nur dann zu sich selber, wenn es Kämpfe führt, die größer sind als das Land selbst."

    Dabei macht sich Macron nicht nur Freunde. Vergangene Woche legte er sich mit Polens nationalkonservativer Regierung an. "Polen ist ein Land, das gegen die europäischen Interessen geht", sagte Macron in Bulgarien unter Verweis auf das EU-Vertragsverletzungsverfahren wegen der polnischen Justizreform. Das Außenministerium in Warschau bestellte daraufhin sogar den Geschäftsträger der französischen Botschaft ein, um sich über die "arroganten Worte" zu empören.

    Macron, Frankreich und die Reform der Europäischen Union

    Klar ist: Die Nagelprobe für Macrons Europapolitik wird die Reform der Europäischen Union und vor allem der Währungsunion - ein Kernversprechen im Wahlkampf des Pro-Europäers. "Der Ort, um die Werkzeuge unserer Macht zu schaffen (...), der Ort unserer Souveränität ist für Frankreich Europa", sagte er am Dienstag. Denn wenn Macrons große Erzählung von "mehr Einfluss dank Reformen" glaubwürdig bleiben soll, muss er in Brüssel Erfolge erzielen. Hier ist erst nach der deutschen Bundestagswahl mit Bewegung zu rechnen - und wenn es dann konkret wird, dürfte das Ringen erst losgehen. "Die Interessen von Paris sind andere als die von Berlin", mahnte etwa FDP-Chef Christian Lindner kritisch.

    Frankreich habe jetzt einen "Präsidenten mit Sieben-Meilen-Stiefeln", meint die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot, Professorin für Europapolitik und Demokratieforschung an der Donau-Universität Krems. Nach Macrons Reise in Länder im Osten der EU sagte sie: Es sei spürbar, dass der Präsident enorm unter Druck stehe. "Wir haben in Deutschland noch nicht verstanden, wie eilig das ist."

    Emmanuel Macron im Porträt

    Emmanuel Macron ist der Senkrechtstarter der französischen Politik. Einige nennen ihn bereits den "französischen Kennedy".

    In seinem Lager entfacht der zierlich wirkende Mann Begeisterung. Schon vor der Wahl war von "Macromania" die Rede.

    Sein Wahlkampfbuch nannte er schlicht "Révolution".

    Erst vor einem Jahr gründete der frühere Wirtschaftsminister seine Bewegung "En Marche!" (Auf dem Weg).

    Einen klassischen Parteiapparat hat er bis heute nicht. Er spricht Menschen an, die eine Erneuerung wollen, aber Extreme ablehnen.

    Macron führt sein Wahlkampfteam wie ein Start-up-Unternehmen. Er will "neue Gesichter" in die Top-Etage der Macht bringen.

    Falls er gewinnt, soll ein erheblicher Teil der Minister seiner Regierung nicht aus der Politik kommen.

    Der 39-Jährige ist ein Europafreund. "Ich habe Europa im Herzen", lautet sein Motto.

    Das macht ihn zum prominentesten Widersacher der Rechtspopulistin Marine Le Pen, die die Europäische Union bekämpft und in ihrem Land den "neuen Franc" als Währung einführen will.

    Macron gab schon vor langer Zeit sein Parteibuch bei den Sozialisten ab. Er positioniert sich "weder rechts noch links".

    Im Wahlkampf bekannte er, Außenseiter zu sein. In der Tat wurde Macron noch nie in ein Amt gewählt.

    Der ehrgeizige Kandidat war bis 2012 gut bezahlter Investmentbanker bei Rothschild & Cie...

    ... Dann holte ihn der sozialistische Präsident François Hollande in den Élyséepalast. 2014 wurde er Wirtschaftsminister. 

    Macron ist seit 2007 mit der wesentlich älteren Französisch-Lehrerin Brigitte Macron (64) verheiratet, die er seit seiner Schulzeit in Amiens kennt.

    Sie organisiert im Wahlkampf und "coacht" ihren Mann. Das ungewöhnliche Paar könnte im Élyséepalast für richtigen Glamour sorgen.

    Macron hat bei einem Besuch in Luxemburg eine Vereinheitlichung von Steuersätzen zur Unternehmensbesteuerung in der Europäischen Union gefordert. "Es ist unerlässlich, dass man in der Europäischen Union die Besteuerung harmonisiert und gemeinsam auch die Steuersätze definiert", sagte er am Dienstagabend in Luxemburg nach einem Gespräch mit dem luxemburgischen Regierungschef Xavier Bettel und dem belgischen Ministerpräsidenten Charles Michel. Die Steuerharmonisierung könne auch ein Beispiel für eine mögliche Vertiefung der Union durch eine Gruppe von EU-Mitgliedern sein.

    "Europa kann nicht funktionieren mit zu großen Unterschieden in den Steuersätzen", sagte Macron. Es müsse möglich sein, beispielsweise "Korridore" festzulegen, in denen sich die nationale Unternehmensbeteuerung bewegen müsse. Ausdrücklich lobte er Luxemburg. Das Land, das einst als "Steuerparadies" gescholten wurde, habe unter der Führung Bettels "sehr viel getan, um den Regeln von Transparenz und Zusammenarbeit gerecht zu werden".

    Luxemburg fordert Stillegung von Cattenom - Macron schweigt

    Auch Bettel betonte, das Großherzogtum stehe auf keiner "schwarzen Liste" von Steuerparadiesen mehr. Eine Finanztransaktionssteuer sei für Luxemburg aber nur akzeptabel, "wenn diese weltweit gilt": "Wir wollen Regeln, die für alle gelten." Macron sagte, die EU-Staaten müssten darauf achten, dass Steuern nicht dazu führten, dass die Steuerbasis einfach in andere Länder verlagert werden: "Wir Franzosen sind Experten in dieser Frage." Macron bekräftigte erneut sein Plädoyer für eine EU, in der mehrere Geschwindigkeiten möglich seien und einzelne Staaten sich nicht an allen Vorhaben beteiligen müssten.

    Hinsichtlich einer möglichen Stilllegung des Atomkraftwerks Cattenom direkt an der Grenze zu Luxemburg und Deutschland wollte er sich nicht festlegen. "Ich weiß, dass das ein sensibles Thema ist", sagte er. Bettel hatte zuvor gesagt: "Das ist ein Thema, das uns sehr besorgt." Ebenso wie die Regierungen des Saarlandes und von Rheinland-Pfalz fordert auch Luxemburg eine rasche Stilllegung des Kraftwerks Cattenom.

    Der 1986 in Betrieb genommene Atommeiler gilt als pannenanfällig. Bettel erneuerte das Angebot Luxemburgs, sich finanziell am Rückbau Cattenoms und auch an alternativen Energieprojekten in der Region zu beteiligen. Macron sagte lediglich, er unterstütze engere regionale Zusammenarbeit. Die französische Regierung wisse, dass sie auch künftig noch über das Thema Cattenom sprechen müsse. dpa/sh

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