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Frankreich: Bilanz nach den Unruhen: Große politische und materielle Schäden

Frankreich

Bilanz nach den Unruhen: Große politische und materielle Schäden

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    Polizeikräfte stehen Jugendlichen während Ausschreitungen in Nanterre, außerhalb von Paris, gegenüber. Bei den fünftägigen Unruhen sollen Schäden von rund 650 Millionen Euro entstanden sein.
    Polizeikräfte stehen Jugendlichen während Ausschreitungen in Nanterre, außerhalb von Paris, gegenüber. Bei den fünftägigen Unruhen sollen Schäden von rund 650 Millionen Euro entstanden sein. Foto: Christophe Ena, AP, dpa

    Zerstörte Kulturzentren und Geschäfte, beschädigte Schulen und Rathäuser, verbrannte Autos, Busse und Trambahnen: Die Unruhen, die von 27. Juni bis 2. Juli viele Städte in Frankreich erschütterten, hinterließen dramatische Spuren. Ausgelöst wurden sie vom Tod des 17-jährigen Nahel durch einen Polizeischuss bei einer Verkehrskontrolle in der Pariser Vorstadt Nanterre. Rasch verbreitete sich eine Welle der Gewalt im ganzen Land. 801 öffentliche Gebäude wurden beschädigt, davon 282 durch Brandstiftung. Auf 650 Millionen Euro schätzen die Versicherungsinstitute die Kosten für die Reparatur und den Wiederaufbau auch tausender privater Geschäfte. 

    Damit die Kinder nach den Sommerferien wieder in ihre Klassenzimmer und die Bürgerinnen und Bürger so schnell wie möglich erneut Anträge in den Rathäusern stellen können, plant die Regierung ein Gesetz für die Beschleunigung der Arbeiten. Am Donnerstag wird es im Ministerrat vorgestellt. Es sieht die Möglichkeit vor, noch vor der Erlaubnis durch die Städtebau-Behörde mit den Arbeiten zu beginnen. Ein ähnliches Gesetz gab es nach dem Brand der Pariser Kathedrale Notre-Dame im April 2019, um administrative Hemmnisse abzubauen, die den Wiederaufbau hinausgezögert hätten. Auch sollen die Gebietskörperschaften, die sonst staatliche Subventionen von bis zu 80 Prozent beantragen können, die vollständige Summe der Kosten erstattet bekommen.

    Präsident Macron empfing 200 Bürgermeister aus besonders betroffenen Städten

    Das Gesetz stellte Präsident Emmanuel Macron in Aussicht, als er Anfang Juli mehr als 200 Bürgermeister von besonders von den Krawallen betroffenen Städten im Élysée-Palast empfing. Unter ihnen befand sich auch Rudy Elegeest, Bürgermeister der nordfranzösischen Gemeinde Mons-en-Barœul. „Wir werden zeigen, dass die öffentlichen Versorgungseinrichtungen stärker sind als die Zerstörungswut“, sagte er damals. Das kürzlich renovierte Rathaus in seiner Kommune, ein Festsaal und ein neues Bürger-Informationszentrum waren teilweise abgebrannt worden. Es habe sich um „reine Selbstzerstörung“ gehandelt, so Elegeest: „Die Krawallmacher ruinierten quasi ihr eigenes Haus.“

    Die Regierung geht davon aus, dass landesweit 7000 bis 8000 Personen, darunter viele Minderjährige, für die Zerstörungen verantwortlich sind und damit nur ein Bruchteil der sechs Millionen Menschen, die in sozial benachteiligten Vierteln in den Vororten leben. Dennoch verschärft sich der Ton in der politischen Debatte in Frankreich, angeheizt vor allem von den konservativen Republikanern. 

    Der französische Präsident Emmanuel Macron spricht bei einem Empfang im Elysee-Palast für 200 Bürgermeister aus Städten und Gemeinden, in denen die Ausschreitungen besonders heftig waren.
    Der französische Präsident Emmanuel Macron spricht bei einem Empfang im Elysee-Palast für 200 Bürgermeister aus Städten und Gemeinden, in denen die Ausschreitungen besonders heftig waren. Foto: Ludovic Marin, Pool AFP, AP, dpa

    Deren Parteichef Éric Ciotti forderte strikte Maßnahmen: vom Entzug von Familienbeihilfen für Eltern straffälliger Jugendlicher über den Bau neuer Gefängnisplätze bis zur Absenkung der Strafmündigkeit auf 16 Jahre. Umfragen zeigen, dass die Menschen mehrheitlich eine autoritäre Antwort auf die Unruhen wünschen. So sagen 80 Prozent, sie unterstützen die Haltung von Innenminister Gérald Darmanin, „den Dialog mit den Bewohnern der Viertel zu suchen und zugleich hart mit den Kriminellen zu sein“. Teile der Linken fordern, die Strategie der Polizei bei ihren Einsätzen zu hinterfragen.

    Macron wird sich in einer Rede an die Französinnen und Franzosen wenden

    Welche Schlüsse wird Macron aus der Krise ziehen? Nach dem Ende des monatelangen Ringens um seine umstrittene Rentenreform waren seine Umfragewerte gerade wieder angestiegen; nun sanken sie wieder unter 30 Prozent. Die Regierung hat den Verkauf von privaten Feuerwerkskörpern im Umfeld des Nationalfeiertags am 14. Juli verboten – aus Furcht vor neuerlichen Ausschreitungen. Aller Voraussicht nach wird sich Macron am Freitag per Interview oder Ansprache an die Menschen wenden. Dabei dürfte er versuchen, mit neuem Elan Perspektiven aufzuzeigen.

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