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Fragen und Antworten: Auch eine Brexit-Verschiebung könnte scheitern

Fragen und Antworten

Auch eine Brexit-Verschiebung könnte scheitern

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    Für den Brexit? Gegen den Brexit? In London prallen Welten aufeinander.
    Für den Brexit? Gegen den Brexit? In London prallen Welten aufeinander. Foto: Isabel Infantes, afp (Archiv)

    Die Appelle haben nichts genützt, die Drohungen nicht und auch nicht die Vision vom Beginn einer „strahlenden Zukunft“ für Großbritannien, die Premierministerin Theresa May immer wieder beschworen hat. Das Unterhaus hat den Brexit-Deal mit der Europäischen Union abgeschmettert. Und nun, Britannia?

    Wo stehen wir bei diesem Brexit-Durcheinander jetzt eigentlich?

    Das britische Unterhaus hat den mit der EU ausgehandelten Austrittsvertrag zum zweiten Mal abgelehnt. Am gestrigen Mittwoch erteilte das Parlament in London einem Brexit ohne Deal auch eine Absage. Es wird damit gerechnet, dass das Parlament deshalb heute die EU um mehr Zeit bittet, um einen besseren oder anderen Deal auszuhandeln.

    Ist mit der Entscheidung vom Mittwoch zumindest ein Brexit ohne Deal abgewandt?

    Nein! Solange es keinen Vertrag gibt, droht Chaos. Wenn Großbritannien und die EU nicht aktiv die Bremse ziehen, endet die britische EU-Mitgliedschaft automatisch am 29. März um 24.00 Uhr Brüsseler Zeit. Auch im EU-Austrittsgesetz ist dieses Datum als Brexit-Termin festgeschrieben und müsste gestrichen werden. Die Zeit dafür zerrinnt.

    Falls die Briten um mehr Zeit bitten: Welchen Spielraum könnte die EU denn einräumen?

    Nicht viel. Schon beim Last-minute-Treffen zwischen Premierministerin Theresa May und Kommissionschef Jean-Claude Juncker am Montag in Straßburg hatte der festgestellt, dass es keine Verlängerung über den 23. Mai hinaus geben könne. Der Grund: An dem Tag beginnen die Europawahlen in den ersten Mitgliedstaaten. Sollte das Königreich dann noch vollwertiges EU-Mitglied sein, müsste es ebenfalls Abgeordnete wählen, was der Bevölkerung niemand erklären könnte.

    Erwogen werden deshalb nach Angaben von Diplomaten zwei Varianten: eine kurze Verlängerung um wenige Wochen – in der Hoffnung auf eine Wende oder Lösung in London. Oder eine längere Verschiebung als eine Art Denkpause. Premierministerin Theresa May bekannte selbst, dass eine Verschiebung „ohne Plan“ die Probleme kaum mindern würde. Niemand kennt eine Alternative zu dem abgelehnten Abkommen und in wenigen Wochen wäre auch kein neues auszuhandeln. Am Ende der verlängerten Austrittsfrist würde doch nur wieder die Drohung eines Chaos-Brexits stehen, sagte May und resümierte: „Die Optionen sind trostlos.“

    Und was sagt Brüssel? Die Briten sagen, sie wollen mehr Zeit, und die EU macht mit?

    Ganz im Gegenteil. Der Antrag über eine Verschiebung des Brexit, der heute Abend ansteht, bedarf erst noch einer Genehmigung durch die Union. Die einschlägigen Regelwerke legen fest: Eine Verlängerung der zweijährigen Frist zwischen Abgabe einer Austrittserklärung und dem Vollzug bedarf der einstimmigen Billigung des Europäischen Rates, wie der EU-Gipfel offiziell heißt. Und: Er muss begründet werden.

    Vorstellbar seien nur drei Gründe, sagte ein Diplomat: die Ratifizierung des bisher abgelehnten Austrittsvertrags in Großbritannien; zusätzliche Zeit für die Vorbereitung auf einen No Deal oder Zeit für ein Referendum oder eine Neuwahl in Großbritannien. „Es muss etwas Greifbares dahinterstecken“, sagte Luxemburgs Außenamtschef Jean Asselborn. Das kann in Brüssel aber derzeit niemand erkennen.

    Wer darf so etwas wann entscheiden?

    Die 27 Staats- und Regierungschefs könnten bei ihrem Treffen Ende nächster Woche in Brüssel einen solchen Beschluss diskutieren und wohl auch fassen.

    Die EU würde damit noch mal auf May eingehen?

    Ihr bleibt nichts anderes übrig. Obwohl die Stimmung gegenüber Premierministerin May (so betonte ein hochrangiges Mitglied der Kommission) derzeit als „besten-falls schlecht“ gilt. Ihr werden schwere taktische und strategische Fehler im eigenen Haus vorgeworfen. „Sie hat den Karren vor die Wand gefahren“, hieß es. Denn es gibt keinen Brexit ohne Deal, aber eben auch keinen Deal für einen Brexit. Entsprechend frustriert ist man in Brüssel. „Was für ein Desaster“, sagte Fraktionschef Manfred Weber von der Europäischen Volkspartei (EVP). „So kann es nicht weitergehen.“ Weber spricht sich für ein zweites Referendum aus. „Es wäre der logische nächste Schritt, die Menschen erneut zu fragen“, sagte er.

    Hier lesen Sie unseren Live-Blog zur Brexit-Debatte am Mitwoch.

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