Wieder eine Wahl, wieder ein Rekord: Dass die extrem rechte FPÖ auch bei den Landtagswahlen in der Steiermark als erster durchs Ziel gehen könnte, davon waren Beobachter und Politikexperten ausgegangen. Das erdrutschartige Ergebnis für die Freiheitlichen im rund eine Million Einwohner starken Bundesland, sie verdoppelte ihr bisheriges Ergebnis auf nun knapp 35 Prozent , hatte dann doch viele überrascht. In einer Art Schockstarre befindet sich seit Sonntagabend die konservative ÖVP, und das nicht nur in der Steiermark: Keine Rede mehr vom Kopf-an-Kopf-Rennen mit der FPÖ, das der noch-amtierende ÖVP-Landeshauptmann Christopher Drexler im Wahlkampf ausgerufen hatte.
Ex-Verteidigungsminister könnte zweiter FPÖ-Landeshauptmann seit Haider werden
Stattdessen fuhr der Parteifreund von Österreichs Kanzler Karl Nehammer in meilenweitem Abstand zu den Freiheitlichen das historisch schlechteste Wahlergebnis ein. Der Wahlsieger – der steirische FPÖ-Chef Mario Kunasek, einst Verteidigungsminister unter Sebastian Kurz – stellt nun den Anspruch auf den Regierungschefposten des Landeshauptmanns. Mit dem fulminanten Sieg Kunaseks ist es unwahrscheinlich, dass in der Steiermark künftig ohne die FPÖ regiert wird. Nach Kärnten, das zu Jörg Haiders Zeiten von den extremen Rechten geführt worden war, könnte die Steiermark das zweite Bundesland werden, in dem die FPÖ das Sagen erhält.
Der Schuldige für die Niederlage ist für die steirischen Konservativen schnell ausgemacht: Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Dieser habe mit seiner Entscheidung, Herbert Kickl, den Wahlsieger der FPÖ bei den Nationalratswahlen Ende September, nicht mit der Regierungsbildung in Wien zu beauftragen, die perfekte Angriffsfläche für die Freiheitlichen in der Steiermark geliefert. „Alle gegen die FPÖ“, obwohl stärkste Partei im Nationalrat, das trommelte FPÖ-Chef Herbert Kickl. „Ich komme mir ein bisschen wie das Bauernopfer der Republik vor“, machte sich der ÖVP-Landeshauptmann Drexler noch am Wahlabend Luft.
FPÖ-Wahlerfolg setzt Österreichs Kanzler Nehammer unter Druck
Das Wahlergebnis gilt als ein Fanal, vor allem für die Konservativen in der Wiener Parteizentrale. ÖVP-Kanzler Karl Nehammer schweigt beharrlich. Er befindet sich mitten in den Koalitionsverhandlungen mit den Sozialdemokraten und den liberalen Neos und äußert sich nicht zum Absturz seiner Partei. Stattdessen rücken seine Getreuen aus, um den Kanzler in Wien von den Fragen, die sich nun ganz Österreich stellt, abzuschirmen: Das sei nur eine Landtagswahl gewesen, heißt es aus dem Parteisekretariat der ÖVP zu hören. Erneut wird betont, man habe die Unzufriedenheit und den „Veränderungswunsch“ der Wähler gehört und verstanden und werde dem im Bund bei der zu bildenden Dreier-Koalition Rechnung tragen. Es werde, so heißt es seit Wochen in Wien, kein „Weiter wie bisher“ geben.
Der Druck auf Nehammer, auf Bundesebene rasch eine herzeigbare Koalition mit SPÖ und Neos zu schmieden, steigt nun enorm. Österreichische Medien spekulieren bereits über eine Führungsdebatte in der ÖVP. So war es Nehammer, der den Kurs – „ja zur FPÖ, aber nicht mit Kickl“ – vorgegeben hatte. Im Hintergrund gibt es bereits seit der Nationalratswahl im September Diskussionsbedarf in der ÖVP. Dass die Beteuerungen vom „kein Weiter wie bisher“ offensichtlich auf der Länderebene ungehört bleibt, stärkt jene ÖVP-Stimmen im Bund, die schon seit September auf eine Zusammenarbeit mit der nun dominanten extremen Rechten drängen. Kickl-Tabu von Nehammer und seinem innersten Kreis hin oder her.
Auch die Sozialdemokraten halten sich Koalition mit FPÖ offen
Bereits in vier ÖVP-Ländern – in Ober- und Niederösterreich, in Salzburg und in Vorarlberg – regiert die FPÖ als Juniorpartner mit. Die Steiermark zeigt den ÖVP-Landeshauptmännern, wie schnell es gehen kann, dass die FPÖ sie vom ersten Platz verdrängt. Für die stark in den Bundesländern verankerte ÖVP ist dies mehr als gefährlich: In kommenden Landes- und Regionalwahlen muss Nehammers Partei, angesichts der FPÖ-Erfolgswelle, um den Verlust der Machtbasis fürchten.
Wie geht es für die ÖVP weiter? Sich in Neuwahlen flüchten, den Kanzler und Parteiobmann austauschen? In einer Dreier-Koalition darauf hoffen, dass die FPÖ-Erfolgswelle irgendwann bricht? Antworten auf diese Fragen dürfte wohl erst die kommenden Wochen bringen. Entscheidend dafür wird auch, wie es in der Steiermark weitergeht. Dort haben weder ÖVP noch die Sozialdemokraten, die ebenfalls leichte Verluste hinnehmen mussten, eine Zusammenarbeit mit der FPÖ ausgeschlossen.
Das ist die ganz klare verständliche Antwort auf "Alle gegen die FPÖ". Obs solche Reaktionen nur in Österreich gibt?
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