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Nato-Gipfel: Vor dem Nato-Gipfel gibt Erdogan seine Blockade auf

Nato-Gipfel

Vor dem Nato-Gipfel gibt Erdogan seine Blockade auf

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    Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte bislang den Nato-Beitritt Schwedens blockiert.
    Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte bislang den Nato-Beitritt Schwedens blockiert. Foto: Markus Schreiber, AP/dpa (Archivbild)

    Dieser so große wie wichtige Nato-Gipfel sollte ein Zeichen der Geschlossenheit nach Moskau senden und vor allem der weiteren Unterstützung für die von Russland angegriffenen Ukraine gewidmet sein. Doch noch bevor das zweitägige Treffen offiziell begann und alle Staats- und Regierungschefs der 31 Nato-Staaten im litauischen Vilnius gelandet waren, machte es der türkische Präsident spannend. Recep Tayyip Erdogan knüpfte plötzlich und für die Partner überraschend einen Beitritt Schwedens an die weitere Annäherung seines Landes an die EU. „Ebnet zunächst den Weg der Türkei in die Europäische Union, danach ebnen wir den Weg für Schweden“, sagte Erdogan am Montag.

    Ankara hatte die Blockade stets damit begründet, dass Stockholm zum einen antimuslimische Vorfälle wie etwa die Koranverbrennung kürzlich bei einer Demonstration nicht verhindere, zum anderen unzureichend gegen angebliche „Terror“-Verdächtige vorgehe, zu denen der Präsident etwa kurdische Aktivisten und regierungskritische Journalisten zählt.

    Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg verkündete, dass der Knoten geplatzt ist.
    Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg verkündete, dass der Knoten geplatzt ist. Foto: Virginia Mayo, dpa (Archivbild)

    Es vergingen Stunden, ehe Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg verkünden konnte: Der Knoten ist geplatzt. Die Türkei will den Nato-Beitritt von Schweden nicht länger blockieren. Erdogan habe bei einem Treffen mit dem schwedischen Regierungschef Ulf Kristersson zugestimmt, das Beitrittsprotokoll so bald wie möglich dem türkischen Parlament vorzulegen, sagte Stoltenberg am Montagabend. Der Frage, wann der Nato-Betritt Schwedens vollzogen sein könnte, wich Stoltenberg allerdings aus. Er wiederholte nur, dass es eine klare Zusicherung gebe, die Ratifikationsdokumente dem Parlament zuzuleiten. Die nächste Sitzung des türkischen Parlaments ist für Dienstag angesetzt, womit es zumindest theoretisch schon seine Zustimmung geben könnte, während der zweitägige Gipfel in Vilnius läuft. Dann könnte Schweden zeitnah offiziell 32. Mitglied der Nato werden.

    Die Ukraine hofft auf ein klares Signal Richtung Nato-Beitritt

    Schweden und Finnland hatten im Mai 2022 unter dem Eindruck des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine die Mitgliedschaft in der Nato beantragt. Finnland ist bereits Anfang April zum 31. Mitglied des Bündnisses geworden. Schweden fehlte dagegen nach wie vor die Zustimmung der Türkei und Ungarns, was in erster Linie an der türkischen Blockadehaltung gelegen hat. Wochenlang hieß es hinter den Kulissen, dass man spätestens zum Nato-Gipfel mit Erdogans Zustimmung rechnen könne. Sicherheitsexperten hatten die türkische Präsidentschafts- und Parlamentswahl im Mai als letzte Hürde betrachtet. Doch Erdogan ließ die Partner zappeln. Die Türkei fällt seit Jahren als harter Verhandler auf.

    Und als unberechenbar: Vor wenigen Tagen sprach Erdogan sich unerwartet für eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine aus. Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der ebenfalls zum Gipfel nach Vilnius anreist, würde dem Verteidigungsbündnis am liebsten sofort beitreten. „Auch wenn unterschiedliche Positionen geäußert werden, ist es immer noch offensichtlich, dass die Ukraine es verdient, im Bündnis zu sein. Nicht jetzt – jetzt ist der Krieg, aber wir brauchen ein klares Signal“, sagte Selenskyj in seiner täglichen Videobotschaft. Doch eine formelle Einladung in die Nato hatten die meisten Alliierten bereits vor dem Start des Gipfels abgelehnt. „Für eine Einladung der Ukraine, für konkrete Schritte in Richtung Mitgliedschaft (ist) der Zeitpunkt nicht da. Hierfür gibt es auch unter den Verbündeten keinen Konsens“, hieß es seitens der deutschen Bundesregierung.

    Für Kiew noch enttäuschender: US-Präsident Joe Biden hatte am Wochenende entsprechende Forderungen nicht nur zurückgewiesen. Das Weiße Haus verwies zudem darauf, dass die Ukraine noch einige Reformen umsetzen müsse, bevor der Staat bereit für die Mitgliedschaft sei. Washingtons Strategie scheint geleitet von der Sorge, dass unglaubwürdige Versprechen am Ende nur zu mehr Frust in Kiew führen.

    Stattdessen wollen die Spitzenpolitiker über die weitere Unterstützung der Ukraine sprechen. Das Problem: Die Verbündeten wollen dem Land zwar eine Perspektive aufzeigen und damit zumindest eine gewisse Sicherheitsverpflichtung für die Zeit nach dem Ende des Kriegs abgeben. Gleichwohl wollen sie jede Gefahr vermeiden, selbst zur Kriegspartei zu werden oder zu hohe Erwartungen in Kiew zu schüren. Von „Sicherheitsgarantie“ sprechen in Nato-Zirkeln deshalb nur wenige. Damit ist die Beistandspflicht nach Artikel 5 gemeint, nach der alle Alliierten einem angegriffenen Land helfen müssten.

    Schon 2008 scheiterte die Ukraine beim Versuch, dem Nato-Beitritt näherzukommen

    Trotzdem, die Verbündeten suchen nach neuen Versprechen, um nicht wieder bei denselben Zusagen wie in Bukarest zu landen. Beim Gipfel im Jahr 2008 scheiterte die Ukraine, vor allem wegen der Haltung Deutschlands und Frankreichs, mit einem Antrag und erhielt stattdessen eine symbolische Beitrittsperspektive. Seitdem steckte das Land in einer Grauzone fest. Als Zwischenlösung ist nun ein sogenanntes Israel-Modell im Gespräch, also eine ähnliche Sicherheitspartnerschaft zwischen der Ukraine und der Nato, wie es sie derzeit zwischen den USA und Israel gibt. Dabei stehen vor allem Waffenlieferungen und Unterstützungserklärungen im Fokus. Allerdings müsse es zuvor einen Waffenstillstand geben.

    Deutschland hat angekündigt, der Ukraine beim Gipfel-Treffen weitere Waffenlieferungen in größerem Umfang zusagen. Es werde dort „sehr substanzielle“ Ankündigungen geben, hieß es . Was darin enthalten sein soll, wurde am Montag noch nicht verraten. Klar ist aber, was nicht enthalten sein wird: Marschflugkörper Taurus mit einer Reichweite von 500 Kilometern. Die Ukraine wünscht sich die Marschflugkörper, um Stellungen der russischen Streitkräfte in der Ukraine weit hinter der Frontlinie angreifen zu können. Die Bundesregierung ist zurückhaltend, weil die Geschosse auch russisches Territorium erreichen können. Deutschland hat dabei als zweitgrößter Unterstützer der Ukraine bei den Waffenlieferungen eine besondere Rolle.

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