Die Türkei wehrt sich gegen die Abwerbung türkischer Arbeiter durch deutsche Flughäfen. Das sei ein Versuch, die türkische Luftfahrtbranche zu sabotieren, erklärte die türkische Luftfahrtbehörde jetzt. Nach diesem Nein der Türkei dürften deutsche Flughafenbetreiber große Probleme haben, bis zum Ende der Ferienzeit wie geplant rund 2000 türkische Arbeiter für Gepäckabfertigung, Check-in und Sicherheitskontrollen zu finden, um Personalengpässe in der Bundesrepublik auszugleichen.
Die türkische Luftfahrtbehörde kann den Arbeitern zwar nicht verbieten, nach Deutschland zu gehen. Die erste offizielle Stellungnahme einer türkischen Regierungsbehörde zur deutschen Anwerbeaktion machte aber deutlich, dass deutsche Flughafenbetreiber in der Türkei bei der Anwerbung von gut ausgebildeten Hilfskräften auf erheblichen Widerstand treffen dürften. Die Bundesregierung hatte vor zwei Wochen angekündigt, Visaverfahren für die türkischen Arbeiter an deutschen Flughäfen zu verkürzen. Dennoch ist bisher nicht bekannt, wie die Anwerbung funktionieren soll und wann die ersten türkischen Arbeiter in Deutschland eintreffen sollen, um das Flughafen-Chaos in der Urlaubssaison zu lindern.
Viele Provinzflughäfen in der Türkei haben zu viel Personal
Einige deutsche Branchenvertreter rechnen mit der Ankunft der türkischen Verstärkung im August, andere erst im September. Die Dienstleister bei der Bodenabfertigung an deutschen Flughäfen sagen, es würden weniger als 1000 – nicht 2000 – ausländische Hilfskräfte gebraucht. Deutsche Flughafenbetreiber haben bei ihrer Suche nach Aushilfskräften vor allem Arbeiter an türkischen Airports im Auge, auf denen es derzeit nicht viel zu tun gibt.
Die türkische Regierung hatte in den vergangenen Jahren viele neue Flughäfen in Provinzstädten bauen lassen, die nun kaum angeflogen werden. So zählte der Flughafen im westtürkischen Usak mit seinen mehr als 80 Beschäftigten nach Medienberichten im ganzen vergangenen Jahr nur 52 Passagiere. In diesem Jahr landete dort zwischen Januar und April keine einzige Maschine. Trotzdem trifft die geplante deutsche Anwerbeaktion bei amtlichen Stellen in der Türkei auf Misstrauen.
Türkische Flughäfen melden in der derzeitigen Feriensaison Rekordzahlen
Die türkische Luftfahrt-Behörde wandte sich in ihrer Stellungnahme an die türkischen Flughafenarbeiter. Den Ländern, die derzeit türkische Flughafenmitarbeiter suchten, gehe es nicht nur darum, freie Stellen zu besetzen, warnte die Behörde, das Generaldirektorat der Zivilen Luftfahrt. Es gehe auch darum, durch die Abwerbung von professionellen Mitarbeitern „den Aufstieg der Luftverkehrs-Branche unseres Landes aufzuhalten“.
Anders als deutsche und andere europäische Fluggesellschaften ist die halbstaatliche Turkish Airlines relativ gut durch die Pandemie-Flaute gekommen. Türkische Flughäfen melden in der derzeitigen Feriensaison Rekordzahlen an Starts und Landungen. Allein am Istanbuler Airport werden derzeit dem türkischen Verkehrsministerium zufolge jeden Tag 230.000 Passagiere abgefertigt. Turkish Airlines will ihr Streckennetz weiter ausbauen – dagegen streichen europäische Gesellschaften tausende Flüge, weil sie das in der Pandemie ausgedünnte Personal nicht rechtzeitig wieder verstärkt haben.
Die Arbeitsbedingungen in der Türkei sollen verbessert werden
Diese Entwicklung nährt den türkischen Verdacht, dass es den Europäern nicht nur um die Überbrückung von Personalengpässen geht. Mit dem Sabotage-Argument liegt die Luftfahrt-Behörde auf der Linie von Präsident Recep Tayyip Erdogan, der dem Westen vorwirft, der Türkei immer neue Steine in den Weg zu legen, um ihren Aufstieg zur Regionalmacht zu verhindern.
Die Luftfahrt-Behörde rief die türkischen Mitarbeiter auf, die Angebote aus dem Ausland abzulehnen. Sie appellierte an die türkischen Arbeitgeber im Luftfahrtsektor, Arbeitsbedingungen zu verbessern und Löhne zu erhöhen, um den Transfer ins Ausland für die Arbeiter weniger attraktiv zu machen. Türkische Medien hatten berichtet, türkische Arbeiter könnten an deutschen Flughäfen in drei Monaten während der Feriensaison 6000 Euro verdienen. Dafür muss ein Arbeiter in der Türkei zum Mindestlohn fast zwei Jahre arbeiten.