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Flüchtlingskrise: Warum Ankara jetzt Flüchtlinge zurücknimmt

Flüchtlingskrise

Warum Ankara jetzt Flüchtlinge zurücknimmt

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    Verschreckt und frierend an Deck: Ein Schiff der griechischen Küstenwache hat diese Flüchtlinge aus dem Ägäischen Meer gerettet.
    Verschreckt und frierend an Deck: Ein Schiff der griechischen Küstenwache hat diese Flüchtlinge aus dem Ägäischen Meer gerettet. Foto: afp

    Alltag in der Ägäis: Ein Schiff der griechischen Küstenwache rettet Flüchtlinge aus einem sinkenden Schlauchboot. Es bringt die Menschen, die verschreckt und frierend an Deck kauern, in einen Hafen der griechischen Insel Lesbos. Für sie ist die gefährliche Überfahrt gut ausgegangen – im Gegensatz zu 340 Menschen, die allein in diesem Jahr bereits auf der nur wenige Kilometer weiten Seefahrt ertrunken sind. In Zukunft könnte sich das Szenario aber anders abspielen: Die griechische

    Nato-Verteidigungsminister zieht Konsequenzen aus Flüchtlingskrise

    Das ist eine Konsequenz der jüngsten überraschenden Beschlüsse der Nato-Verteidigungsminister. Das Militärbündnis will künftig mit eigenen Schiffen Seeaufklärung im Ägäischen Meer betreiben, über das auch im derzeitigen Winter täglich 600 bis 3000 Flüchtlinge und Migranten mithilfe von Schleusern illegal nach Europa gelangen. Die Informationen sollen dann den Küstenwachen der beiden Nato-Mitglieder Griechenland und Türkei zur Verfügung gestellt werden.

    Am Donnerstag fiel die Entscheidung in Brüssel, bereits am 24. Februar soll alles funktionieren. Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen nannte gestern in ihrer Rede zur Eröffnung der Münchner Sicherheitskonferenz den Grund für den ohne vorherige Ankündigung gefällten Nato-Beschluss: „Wir dürfen nicht länger tolerieren, dass hochkriminelle Schleuserstrukturen darüber entscheiden, wie viele Flüchtlinge jeden Tag nach Europa kommen.“ Die Schleuser hätten eine gewaltige Logistik, Organisation und Infrastruktur aufgebaut. „Das ist unerträglich“, sagte die Ministerin. Damit werde auch der politische Wille konterkariert. Der laute nämlich: „Der Zustrom muss sich verringern.“

    Türkische Kooperationsbereitschaft ist stark gestiegen

    Wie konnte es zu der überraschenden Wende der Nato in der Flüchtlingsfrage kommen? Offenbar hat Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag in ihren Gesprächen mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu in Ankara die Weichen dafür gestellt. Die Kooperationsbereitschaft auf türkischer Seite sei stark gestiegen, heißt es in Regierungskreisen. Außerdem sprach die Kanzlerin telefonisch mit dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras.

    Die Detailverhandlungen in Brüssel führte dann Bundesverteidigungsministerin von der Leyen, die es sogar fertigbrachte, den griechischen und den türkischen Verteidigungsminister an einen Tisch zu bringen. Zwischen den beiden Nato-Mitgliedern gibt es immer wieder Streitigkeiten über tatsächliche oder angebliche Grenzverletzungen im Ägäischen Meer. Deswegen mussten sich beide Seiten verpflichten, mit ihren Küstenwacht-Schiffen auch künftig nur in den jeweils eigenen Hoheitsgewässern zu operieren.

    Überraschung: Darum nimmt Türkei Flüchtlinge zurück

    Die größte Überraschung im Zusammenhang mit den Nato-Beschlüssen stellt die Zusage der Türkei dar, alle Flüchtlinge, die von ihrem Territorium aus in Schleuserbooten auf See gingen, wieder zurückzunehmen. Aus Sicherheitskreisen hieß es, auch Ankara wachse die milliardenschwere Schleuser- und Schlepperkriminalität über den Kopf, und man wolle diese mithilfe der Nato eindämmen. Die entscheidende Rolle in der Praxis kommt auch künftig den Küstenwachen der Türkei und Griechenlands zu, die bisher unkoordiniert nebeneinander her operierten.

    Wie am Rande der Sicherheitskonferenz zu erfahren war, sollen diese künftig – gestützt auf die Informationen der Nato – mit ihren Schiffen sowohl Flüchtlinge retten als auch an der Weiterfahrt hindern und in die Türkei zurückbringen. Bisher ist die Zusammenarbeit offenbar noch nicht bis in die letzten Details festgelegt.

    Der Nato-Verband, zu dem heute bereits griechische und türkische Schiffe gehören, wird von einem deutschen Admiral geführt, der sich an Bord des Einsatzgruppenversorgers Bonn befindet. Die Aufklärungsarbeit wird von der Nato nicht als Militäreinsatz eingestuft, zumal Grenzschutz eindeutig eine Polizeiaufgabe sei.

    Türkei erhält "Gegenleistung"

    Als Gegenleistung für ihre Aufnahmebereitschaft erhielt die Türkei die Zusage, dass künftig auch eine legale Übersiedlung nach Europa möglich sein soll. Die Größe und die Ausgestaltung solcher Kontingente sind bisher nicht definiert. Die politische Marschroute unter den EU-Verantwortlichen lautet jedoch, die tatsächlich Schutzbedürftigen zu bevorzugen. Davon könnten auch mehr Frauen und Kinder profitieren. In EU-Kreisen hofft man zudem, dass auch außereuropäische Staaten wie die USA und Kanada speziell syrische Flüchtlinge aufnehmen werden. AZ

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