Immer mehr Flüchtlinge kommen nach Deutschland – die meisten aus der Ukraine, zunehmend aber auch aus Syrien oder dem Irak über den Balkan. Mehr als 1,1 Millionen Menschen waren es bereits in diesem Jahr, im Winter könnten es noch mehr werden und sie alle benötigen eine Unterkunft.
Viele Kommunen sind mit der Aufnahme bereits überfordert, die vorhandenen Quartiere geraten an ihre Grenzen. So baut etwa Leipzig gerade eine Zeltstadt, in Dresden werden Messehallen zu Notunterkünften, vielerorts wird nicht ausgeschlossen, dass Geflüchtete bald wieder in Turnhallen übernachten müssen.
Nach dem Flüchtlingsgipfel mit Vertretern von Ländern, Städten und Gemeinden am Dienstag in Berlin nannte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) die Lage "angespannt". Nach wie vor sei die Bereitschaft, den Opfern des russischen Angriffs auf die Ukraine zu helfen, überwältigend. "Doch der humanitäre Kraftakt ist von Ländern und Kommunen immer schwieriger zu bewältigen", sagte sie.
Flüchtlingsgipfel in Berlin: Notunterkünfte sollen bereitgestellt werden
Sie kündigte an, den Ländern 56 weitere Immobilien mit Platz für insgesamt rund 4000 Menschen zur Verfügung zu stellen. Bei den Objekten handelt es sich etwa um ehemalige Kasernen. Bereits jetzt werden in etwa 300 Gebäuden des Bundes Flüchtlinge untergebracht, teilweise seien diese noch nicht vollständig belegt. Zudem kündigte Faeser einen intensiveren Austausch zwischen Bund und Ländern über das Fluchtgeschehen an. Eine genaue Prognose, wie sich die Zahlen entwickeln, könne sie nicht geben, so Faeser. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen etwa rechnet damit, dass die jüngste Welle russischer Raketenangriffe auf die Ukraine mehr Menschen vertreiben könnte.
Laut Faeser kommen auch über das Mittelmeer und die Balkanroute immer mehr Menschen. "Das macht mir Sorge. Wir müssen auch klar für Begrenzung sorgen", sagte sie. Um die illegale Migration einzudämmen, werden der SPD-Politikerin zufolge die Kontrollen an der Grenze zu Österreich um ein halbes Jahr verlängert. An den Grenzen zu Tschechien werde die Schleierfahndung verstärkt.
Zudem kündigte sie an, zusammen mit den europäischen Partnern auf Serbien einzuwirken, damit das Land seine Visa-Praxis ändere. Serbien winkt derzeit Flüchtlinge praktisch in EU-Länder durch. Dies sei "inakzeptabel", so Faeser. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), derzeit Sprecher seiner Ressortkollegen aus den Ländern, begrüßte die Verlängerung der Grenzkontrollen. Er drängte darauf, dass die zusätzlichen Bundesimmobilien nun rasch zur Verfügung stehen, denn die Zeit dränge. Mit Blick auf die allgemeine Teuerung forderte er künftig einen höheren Beitrag des Bundes zur Versorgung der Flüchtlinge.
Nancy Faeser machte keine finanziellen Zusagen
Finanzielle Zusagen machte Faeser am Dienstag nicht. Im November wollen sich Bund und Länder gesondert darüber unterhalten, wie die Kosten für die Aufnahme der Schutzsuchenden aufgeteilt werden. Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung verglich die Situation mit der sogenannten Flüchtlingskrise 2015 und 2016. Wie damals sei auch die Betreuung der zahlreichen unbegleiteten Minderjährigen eine große Herausforderung.
Für Alexander Dobrindt, CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, gehen die Beschlüsse nicht weit genug. Unserer Redaktion sagte er: „Die Bundesregierung muss eine neue Flüchtlingskrise verhindern.“ Auf die Tagesordnung eines Flüchtlingsgipfels gehörten nicht nur Geld für die Kommunen, sondern auch Grenzen für illegale Migration. „Ich erwarte, dass Innenministerin Faeser ein konkretes Konzept zur schnellen Unterbrechung der Transitrouten vorlegt und mit der EU den besseren Schutz der Außengrenzen organisiert.“ Auch der Geschäftsführer der Bundestags-FDP, Stephan Thomae, glaubt, „dass wir eine Flüchtlingsbewegung in dieser Größenordnung nicht ausschließlich auf nationaler Ebene lösen können“. Er fordert einen europäischen Flüchtlingsgipfel und ein festes Verteilsystem in Europa.