Bei ihrem Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt haben sich Bund und Ländern wie erwartet auf einen schärferen Kurs gegen Flüchtlinge geeinigt. Das Hauptproblem der Finanzierung wurde jedoch nicht gelöst. Die Ampel-Regierung machte zwar eine Milliarde Euro locker, diese Summe deckt die Aufwendungen der Länder für die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge jedoch nicht einmal annähernd. Im November soll deshalb bei einer weiteren Bund-Länder-Runde erneut beraten werden, wie Kanzler Olaf Scholz erklärte. Es werde eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die bis dahin Lösungsvorschläge erarbeiten soll, sagte der SPD-Politiker. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) fasste das Treffen so zusammen: „Mehr war eben nicht drin, das muss man heute so klar sagen.“
Scholz sagte zum Abschluss des Flüchtlingsgipfels am Mittwochabend im Kanzleramt, es gehe darum, reguläre Migration „zu steuern und natürlich auch zu begrenzen“. Bund und Länder sprachen sich dem SPD-Politiker zufolge für eine Verschärfung der Kontrollen an den deutschen Grenzen aus. Solche Kontrollen gibt es bereits an der Grenze zu Österreich, sie sollen bei Bedarf auf die anderen Anrainerstaaten ausgedehnt werden. „Für uns ist es auch wichtig, dass wir unsere eigenen Grenzen gut bewachen“, sagte der Kanzler. Deutschland will demnach mehr Möglichkeiten der Abschiebung nutzen und dafür unter anderem das Ausreisgewahrsam auf 28 Tage verlängern.
Bei den Finanzen gab es noch keine nennenswerten Fortschritte. Die von Scholz angekündigte eine Milliarde Euro soll die Kommunen „bei ihren schwierigen und umfassenden Aufgaben“ unterstützen. Gemeint ist unter anderem die Digitalisierung, damit Asylverfahren schneller bearbeitet werden können.
Bund-Länder-Treffen: Länder mit Zwischenergebnis in der Flüchtslingsfrage noch nicht zufrieden
Doch die Länder haben ganz andere Vorstellungen. Sie setzen auf ein System, bei dem die Zahlungen des Bundes in dem Maße ansteigen, wie Flüchtlinge zusätzlich ins Land kommen. Sie wollen, dass Berlin die Kosten für Unterkunft und Heizung komplett übernimmt und sich an den Kosten für die Integration und die Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge beteiligt. Wüst machte die Unzufriedenheit in einem Satz deutlich: „Für die Kommunen ist das noch nicht ausreichend, weil es eben eine Einmalzahlung ist.“
In absoluten Zahlen ähnelt die aktuelle Lage der von 2015/2016, als bei der großen Fluchtbewegung mehr als eine Million Menschen in Deutschland einreisten. Seit dem Kriegsausbruch in der Ukraine sind nach Angaben des Bundesinnenministeriums 1.063.000 Geflüchtete im Ausländerzentralregister registriert worden. Außerdem gab es dieses Jahr 101.000 Asylerstanträge aus anderen Krisen- und Kriegsgebieten. Diese Zahl könnte sich bis Jahresende in etwa verdreifachen. Immer neue Kriege, beispielsweise der im Sudan, zwingen immer neue Flüchtlinge auf den Weg in die Fremde.
Flüchtlingsgipfel: Die Bundesregierung ist nun doppelt unter Druck
Die Bundesregierung ist in zweifacher Hinsicht unter Druck. Sie fürchtet einerseits, dass sich die Stimmung im Land weiter aufheizt. Schon jetzt gibt es landesweit Proteste gegen Flüchtlingsunterkünfte. Die Koalitionsparteien kämpfen mit sinkenden Umfragewerten, die Unruhe ist groß. Kanzler Scholz sei von seiner Bundestagsfraktion am Dienstag aus Straßburg zurückzitiert worden und habe sich Kritik anhören müssen, wurde beispielsweise in Berlin kolportiert. SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Katja Mast wies das zwar zurück. Ihre Begründung klang allerdings nicht sonderlich plausibel: Scholz habe „in einer Geste der Wertschätzung“ für die Fraktion seine Termine in Straßburg gekürzt, um die Abgeordneten unterrichten zu können. Scholz habe dabei „energisch und entschlossen“ die Position vertreten, dass es mehr Steuerung und Ordnung in der Migrationspolitik bedürfe, sagte Mast.
Doch das Hauptproblem der Ampel ist das Geld. Regierungskreise verweisen auf die vielen Milliarden Euro, die bereits in den letzten Jahren an die Länder überwiesen wurden. 2021 flossen demnach beispielsweise allein 24,6 Milliarden Euro aus dem eigenen Steueraufkommen. Für 2023 wird sich die Gesamtunterstützung demnach auf etwa 15,6 Milliarden Euro belaufen.