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Flüchtlingsdrama: Flüchtlinge nach dem Brand von Moria: Hoffnungslos auf Lesbos

Flüchtlingsdrama

Flüchtlinge nach dem Brand von Moria: Hoffnungslos auf Lesbos

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    Trostlos ist die Lage im Flüchtlingslager Moria: Weitere Feuer zerstören die letzten Zelte, die Sanitäranlagen sind es bereits. Zigtausende Migranten sind jetzt obdachlos.
    Trostlos ist die Lage im Flüchtlingslager Moria: Weitere Feuer zerstören die letzten Zelte, die Sanitäranlagen sind es bereits. Zigtausende Migranten sind jetzt obdachlos. Foto: Byron Smith, Getty Images

    Sie verbrachten die Nacht auf den Feldern und in den Olivenhainen, einige Familien suchten sogar Zuflucht auf einem Friedhof. Andere fanden einen Schlafplatz am Rand der Landstraße. Tausende Migranten hat der Brand im Flüchtlingslager Moria auf der Insel Lesbos obdachlos gemacht. Am Tag danach kauerten viele an Leitplanken und in Straßengräben – in der Hoffnung, dass irgendwann Hilfe kommt.

    Von einem "Dach über dem Kopf" konnte für die meisten Menschen in Moria schon vor der Feuerkatastrophe eigentlich keine Rede sein. Nur etwa 3500 der fast 13.000 Bewohner des Lagers lebten in Wohncontainern. Die anderen hausten in selbst gezimmerten Verschlägen aus Latten, Pappe und Plastikplanen. Jetzt haben die Menschen auch dieses dürftige Obdach verloren. Einige konnten wenigstens Schlafsäcke und Decken vor den Flammen retten.

    Am Donnerstag loderten neue Feuer im Flüchtlingscamp Moria auf

    Am Donnerstag loderten neue Feuer an mehreren Stellen im Lager auf – offenbar gelegte Brände, wie mutmaßlich schon in der Nacht zuvor. Die Brandstifter wollten wohl auch jene wenigen Unterkünfte zerstören, die den ersten Feuersturm überstanden hatten.

    Die Lage erscheint hoffnungslos. Bewohner stocherten im Lager nach zurückgelassenen Habseligkeiten. Die ohnehin dürftigen sanitären Anlagen sind weitgehend zerstört. Im Camp gab es immerhin jeden Tag Mahlzeiten und Getränke, angeliefert in Lastwagen. Man musste stundenlang anstehen, weil die Lagerleitung bis zuletzt nicht willens oder in der Lage war, die Essensausgabe gut zu organisieren. Die Schikanen waren wohl Teil des "Abschreckungskonzepts": Das Leben in Moria sollte möglichst unkomfortabel sein, um nicht weitere Nachzügler aus der Türkei anzulocken.

    Die Armee verteilte unter den Flüchtingen Mahlzeiten und Getränke

    Aber immerhin gab es etwas zu essen. Nach dem Brand waren die Menschen sich selbst überlassen. Erst am Donnerstag begann die Armee damit, Mahlzeiten und Getränke zu verteilen. Die Stimmung unter den Migranten schwankte zwischen stummer Verzweiflung und offener Rebellion. Starke Polizeikräfte waren rund um Moria in Position gegangen. Sie sollten Migranten daran hindern, in die Inselhauptstadt Mytilini zu marschieren. Mehrfach versuchten Gruppen junger Männer, die Polizeisperren zu durchbrechen. Die Polizei sprach von etwa 4000 Randalierern. Sie warfen Steine und Flaschen, manche waren mit Eisenstangen bewaffnet. Die Beamten trieben sie mit Tränengas und Pfefferspray zurück.

    Unter den 38.000 Einwohnern von Mytilini geht die Angst um, tausende Migranten könnten jetzt auf den Straßen und Plätzen der Inselmetropole campieren – und dort das Coronavirus verbreiten. 35 Bewohner von Moria waren am Dienstag positiv auf das Virus getestet worden. Der Versuch der Gesundheitsbehörden, sie und ihre Kontaktpersonen in eine Isolierstation zu bringen, löste Unruhen im Lager aus, die dann zu den mutmaßlichen Brandstiftungen führten. Von den 35 Infizierten und 80 Kontaktpersonen konnten im Chaos, das auf der Insel herrscht, erst acht wiedergefunden und isoliert werden. Die anderen sind irgendwo unterwegs.

    Wenigstens besonders schutzbedürftige Lagerbewohner werden in Sicherheit gebracht. 406 unbegleitete Minderjährige hat die Regierung mit drei Chartermaschinen ins nordgriechische Thessaloniki ausgeflogen und in Hotels untergebracht.

    Was mit allen anderen Migranten geschehen soll, ist unklar. In vielen Staaten der EU gibt es Diskussionen über ihre mögliche Aufnahme. Aber erst mal machte ihnen Griechenlands Vize-Migrationsminister Giorgos Koumoutsakos keine Hoffnung: "Wer denkt, er könne jetzt zum Festland und dann nach Deutschland reisen, der kann das vergessen", sagte er im Nachrichtensender Skai.

    Wird das Lager in Moria wieder aufgebaut? Inselbewohner sind dagegen

    Ob das Lager wieder aufgebaut wird, ist unklar. Inselbewohner wollen das verhindern, sie errichteten Straßenblockaden. In der Zwischenzeit ging im Hafen Sigri an der Westküste das Fährschiff "Blue Star Chios" vor Anker. Die Reederei Blue Star Ferries hat es kostenlos zur Verfügung gestellt, damit es etwa 1000 Obdachlose aufnehmen kann. Die Kriegsmarine hat zwei Transportschiffe nach Lesbos beordert – für weitere 1000 Menschen. Migrationsminister Notis Mitarakis berichtete, bei der Brandkatastrophe habe es keine Verletzten oder Toten gegeben, es werde auch niemand vermisst. Bis zum Wochenende kündigte er die Aufstellung von Zelten für Obdachlose an. Die Behörden suchen geeignete Orte: Die Zeltstädte brauchen Anschlüsse für Wasser, Abwasser und Strom.

    Hilfsorganisation Humedica aus Kaufbeuren wird Soforthilfe leisten

    Soforthilfe für die Obdachlosen hat die Hilfsorganisation Humedica angekündigt, die ihren Sitz in Kaufbeuren im Ostallgäu hat. "Wir sind erschüttert über die Ereignisse. Unsere Gedanken und Gebete sind bei den Menschen, die durch die Flammen erneut alles verloren haben", sagt Geschäftsführerin Heinke Rauscher. Über den Partner Eurorelief sollen die Geflüchteten mit dem Nötigsten an Nahrung und Kleidung versorgt werden, teilt Humedica mit und rief auch zu Spenden auf. Das Spendenkonto lautet: Sparkasse Kaufbeuren IBAN: DE 3573 4500 0000 0000 4747. BIC: BYLADEM1KFB

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