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Griechenland: Unglück im Mittelmeer: Keine Hoffnung auf mehr Überlebende

Griechenland

Unglück im Mittelmeer: Keine Hoffnung auf mehr Überlebende

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    Ein Sanitäter steht im Hafen von Kalamata neben einem verletzten Überlebenden des Schiffsunglücks.
    Ein Sanitäter steht im Hafen von Kalamata neben einem verletzten Überlebenden des Schiffsunglücks. Foto: Thanassis Stavrakis/AP, dpa

    Nach dem Untergang eines Flüchtlingsbootes südwestlich von Griechenland gibt es keine Hoffnung mehr, Überlebende retten zu können. Insgesamt könnten bei dem Unglück mehr als 500 Migranten ums Leben gekommen sein, nur 104 überlebten, wie die Behörden mitteilten. Lediglich 78 Opfer konnte die Küstenwache bislang bergen. Trotzdem werden die Rettungsarbeiten gemeinsam mit Kriegsmarine und Luftwaffe fortgesetzt, wie das Staatsfernsehen zeigte.

    In der Hafenstadt Kalamata spielten sich am Donnerstagmorgen tragische Szenen ab. Viele der 104 überlebenden Migranten suchten dort nach ihren Angehörigen. Verzweifelt hielten sie den Hilfskräften Handyfotos der Betreffenden vor, meist ohne Erfolg.

    500 bis 700 Menschen an Bord?

    Den Großteil der Opfer scheint der rostige, gut 30 Meter lange Fischkutter mit sich in die Tiefe gerissen zu haben. Insgesamt könnten sich zwischen 500 und 700 Menschen an Bord befunden haben, wie die Behörden unter Berufung auf die Befragung Überlebender und Schätzungen der Kapazität des Bootes bekanntgaben. Gewissheit wird es nicht geben: Der Unglücksort rund 50 Seemeilen südwestlich der griechischen Halbinsel Peloponnes liegt genau über dem Calypsotief, mit über 5000 Metern die tiefste Stelle des Mittelmeers.

    Bis zum Freitag sollen die Überlebenden in ein Flüchtlingslager nahe Athen gebracht werden. Die meisten Passagiere stammen laut Küstenwache aus Syrien, Afghanistan und Pakistan. Die geborgenen Toten wurden bereits im Laufe des Donnerstags nach

    Offenbar Massenpanik auf dem Schiff

    Derweil laufen die Untersuchungen der Unglücksursache weiter. Die griechische Küstenwache nahm neun Überlebende fest. Sie sollen als Schleuser agiert haben. Wie der staatliche Rundfunk (ERT) berichtete, wird den aus Ägypten stammenden Männern unter anderem die Bildung einer kriminellen Organisation vorgeworfen. Sie sollen dem Staatsanwalt der Hafenstadt Kalamata vorgeführt werden. Dieser werde entscheiden, wie es weitergehe, hieß es.

    Nach neuesten Erkenntnissen der Behörde sei der Fischkutter vor einigen Tagen aus Ägypten gestartet, habe dann einen Stopp im libyschen Tobruk gemacht und weitere Menschen aufgenommen. Danach nahmen die Schleuser Kurs auf Italien. Migranten sollen den Organisatoren des Unglücksboots nach eigenen Angaben pro Kopf zwischen 5000 und 6000 Euro gezahlt haben.

    Medienberichten zufolge soll es an Bord zur Massenpanik gekommen sein, als die Maschinen des alten Kutters ausfielen. Das übervolle Schiff sei daraufhin aus dem Gleichgewicht gekommen, gekentert und sofort gesunken. Überlebende gaben an, dass viele Passagiere nicht schwimmen konnten und auch kaum einer eine Schwimmweste trug. Auch hätten sich die Menschen unter Deck so schnell nicht ins Freie retten können. Unter ihnen seien viele Frauen und bis zu 100 Kinder gewesen, hieß es.

    Migranten wollten nach Italien

    Die griechische Küstenwache und auch vorbeifahrende Frachter hätten der Besatzung des Boots per Funk wiederholt Hilfe angeboten, sagte ein Sprecher der Behörde. Die Besatzung hätte das Angebot jedoch ausgeschlagen mit der Begründung, man wolle Italien erreichen. Weil sich das Boot in internationalen Gewässern befand, konnten die Beamten erst eingreifen, als der Kutter in der Nacht zum Mittwoch in Seenot geriet und kenterte.

    Auch die EU-Grenzschutz-Agentur Frontex wusste um das gefährdete Boot. Seine Kollegen hätten das Boot am Dienstag entdeckt und den Behörden gemeldet, sagte

    Faeser: Weiter an legalen Migrationswegen arbeiten

    In Griechenland waren die Menschen schockiert von einem der schwersten Seeunglücke der vergangenen Jahre. International hielten sich die Beileidsbekundungen hingegen in Grenzen; am Donnerstag ließ Papst Franziskus ein Kondolenzschreiben veröffentlichen, zuvor hatten sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und UN-Chef António Guterres erschüttert gezeigt.

    Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bezog am Donnerstag Stellung: "Wir dürfen angesichts dieser Not nicht abstumpfen, sondern müssen beharrlich weiter daran arbeiten, legale Migrationswege zu schaffen und Migrationsabkommen zu schließen, die Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit achten", sagte sie. Wenn Menschen nach klaren Kriterien nach Deutschland kämen, zerstöre das auch das Geschäftsmodell der Schleuser.

    Am Donnerstagabend zeigte sich auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bestürzt. "Das ist bedrückend und ruft uns alle mal mehr dazu auf, alles dafür zu tun, dass Menschen nicht diese gefährlichen Fluchtrouten wählen", sagte der SPD-Politiker in Berlin. Er wünsche sich eine Lösung mit Hilfe eines gemeinsamen und solidarischen "Systems des Umgangs" mit der Migration in Europa.

    Die EU-Staaten hatten sich vor einer Woche auf umfassende Reformpläne in der Asylpolitik verständigt.

    (Von Alexia Angelopoulou und Takis Tsafos, dpa)

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