Es geht schon wieder los: Nur wenige Wochen nach dem hart umkämpften Beschluss des Bundeshaushalts für das laufende Jahr hat das Feilschen um das Budget für 2025 begonnen. Finanzminister Christian Lindner will seinen Ministerkollegen diesmal enge Grenzen setzen - denn schon jetzt klafft in den Planungen eine Milliardenlücke. Sein Ministerium ruft alle Ressorts dazu auf, Vorschläge für Einsparungen zu machen.
In einer Runde unter Leitung des neuen Haushalts-Staatssekretärs Wolf Reuter vereinbarten die Ministerien, bis zum 19. April ihre Pläne vorzulegen. Lindner mahnte in einem Brief, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, dass alle an einem Strang ziehen müssten. "Es wird eine gemeinsame Kraftanstrengung der Bundesregierung erfordern, den Handlungsbedarf im Bundeshaushalt aufzulösen", schrieb er. Mit Handlungsbedarf wird eine Milliardenlücke umschrieben, die schon ohne Zusatzwünsche laut Finanzministerium einen zweistelligen Milliardenbetrag umfasst.
Werden die Verhandlungen wieder so hart wie im vergangenen Jahr?
Viel einfacher dürfte es jedenfalls nicht werden - auch wenn der Überraschungseffekt ausbleibt. Im vergangenen Jahr hatte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nur Tage vor dem geplanten Haushaltsbeschluss einen ohnehin schon schwierigen Prozess völlig durcheinandergebracht.
Diesmal stellen sich alle von Beginn an auf einen harten Kampf ein. "Deutschland steht vor großen wirtschafts- und finanzpolitischen Herausforderungen", warnte Lindner. Die Wirtschaft entwickele sich schwach und die Krisenjahre hätten große Löcher in den Etat gerissen.
Haushälter sprechen dann von Konsolidierungsbedarf. Manche beziffern ihn für 2025 auf 15, andere eher auf 25 Milliarden Euro. Auch eine Entlastung durch höhere Einnahmen sei nicht zu erwarten, hieß es im Finanzministerium. Die anhaltend schwache Wirtschaftslage macht sich inzwischen auch bei den Steuereinnahmen bemerkbar.
Wie will sich Lindner durchsetzen?
Im vergangenen Jahr hatte Lindner sogar Bundeskanzler Olaf Scholz in die festgefahrenen Gespräche mit den Ministerien eingeschaltet, weil diese sich nicht auf einen Sparkurs einlassen wollten. Dieses Mal packt der FDP-Chef das Verfahren von vornherein anders an. Die Aufstellung des Haushalts werde sich "grundlegend von denen in den Vorjahren unterscheiden", hieß es im Ministerium.
So will das Finanzministerium nicht wie üblich erst Etat-Eckwerte verhandeln, sondern den Häusern gleich Ausgabenobergrenzen vorgeben. Das Eckwerte-Verfahren sei diesmal nicht zielführend, "da es keine zusätzlichen zur Verteilung anstehenden Finanzmittel gibt", argumentiert Lindner. Dadurch will man verhindern, dass die Ministerien hohe Wünsche anmelden, die man dann erst mal runterverhandeln muss. Ganz ausschließen lässt sich das jedoch nicht - auch wenn Lindner deutlich macht: "Sollten die Anmeldungen nicht den ressortspezifischen Obergrenzen entsprechen, können diese nicht akzeptiert werden."
Wo stehen Kürzungen an?
Es sind unterschiedliche Spar-Verfahren denkbar: Pauschal könnte zum Beispiel jedes Ressort einen Prozentsatz seiner Ausgaben herunterfahren. Doch so wird es wohl nicht laufen, denn Scholz hat schon klargemacht, dass weder der Verteidigungsetat noch die Sozialausgaben angetastet werden sollen. Lindner dagegen regte ausgerechnet bei Sozialausgaben und Subventionen ein mehrjähriges Moratorium an, um mehr Geld in Verteidigung stecken zu können.
Generell gilt, dass sich Investitionen immer einfacher kürzen lassen als Ausgaben, denen gesetzliche Ansprüche zugrunde liegen - wie etwa das Bürgergeld. Bei Investitionen zu sparen, kann angesichts des Modernisierungsstaus aber auch gefährlich sein. Letztlich wird die Koalition politische Schwerpunkte setzen müssen.
Wie könnte man größere Spielräume schaffen?
SPD und Grüne liebäugeln weiterhin damit, dass der Bund mehr Kredite aufnimmt. Dafür müsste die Schuldenbremse erneut ausgesetzt werden. Auch viele Sozialverbände und einige Wirtschaftswissenschaftler sprechen sich dafür aus. Sie meinen, eine solche Ausnahme könne man mit der außergewöhnlichen Unterstützung der Ukraine und der Flüchtlinge begründen.
Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse sieht nur eine eng begrenzte Nettokreditaufnahme vor, kann aber im Fall von Naturkatastrophen oder anderen außergewöhnlichen Notlagen ausgesetzt werden. Das war zum Beispiel während der Corona-Pandemie der Fall. Lindner und seine FDP sehen dafür aber aktuell keine Grundlage. Und sie warnen davor, dass Deutschland sein gutes Bonitätsrating riskieren und man künftigen Generationen durch neue Schulden hohe Zinszahlungen aufbürden würde.
Gibt es auch Bereiche, die mehr Geld bekommen könnten?
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sieht großen Investitionsbedarf bei der Bundeswehr und will einen höheren Wehretat. Dem wäre auch Lindner nicht abgeneigt - aber nur, wenn an anderer Stelle im Haushalt entsprechend gespart wird. Außerdem hält der Finanzminister ein neues Paket zur Unterstützung der schwachen Wirtschaft für nötig, unter anderem mit einer Senkung der Steuerlast.
Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will der Wirtschaft helfen, doch in zentralen Fragen verfolgen die beiden grundlegend andere Philosophien. Lindner will im Rahmen der Schuldenbremse bleiben, Habeck ein Sondervermögen, also einen schuldenfinanzierten Sondertopf. Außerdem neigen die Grünen eher zu Subventionen, während die FDP auf Anreize etwa durch niedrigere Steuern setzt. Eine Steuerreform wird aber kaum Zustimmung der Koalitionspartner bekommen, wenn man nicht an den Spitzensteuersatz rangeht.
Kann der Disput die Koalition sprengen?
Haushaltsverhandlungen bergen immer Sprengkraft, denn es wird deutlich, dass die Koalitionspartner sehr unterschiedliche Ziele verfolgen. Vor allem der FDP wird nachgesagt, quasi den Finger auf dem Abzug zu haben. Doch alle drei Koalitionspartner müssen sich angesichts der aktuellen Umfragewerte die Frage stellen, was sie durch ein Ende der Koalition gewinnen würden.
Noch schwieriger als der Etat für 2025 dürfte den Koalitionspartnern eine Einigung auf die Finanzplanung bis 2028 fallen. Denn dann beginnt nicht nur die Tilgung von Corona-Krediten - eine Zusatzbelastung von um die zehn Milliarden Euro. Auch die Finanzierung der Bundeswehr - die Einhaltung des Zwei-Prozent-Ziels der Nato - muss dann allein aus dem Haushalt finanziert werden, weil das milliardenschwere Sondervermögen ausläuft. Wie das geschehen soll, ist völlig offen.
(Von Theresa Münch, dpa)