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Haushaltsurteil: Die Ampel-Regierung ringt ums Überleben

Haushaltsurteil

Die Ampel-Regierung ringt ums Überleben

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    Olaf Scholz, Christian Lindner und Robert Habeck haben ein Problem: das Geld wird knapp.
    Olaf Scholz, Christian Lindner und Robert Habeck haben ein Problem: das Geld wird knapp. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Knapp eine Woche nach dem historischen Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Schattenhaushalten wachsen Nervosität und Hektik in der Ampelkoalition. Der Chef der SPD-Bundesfraktion Rolf Mützenich sah sich am Dienstag sogar genötigt, Fragen nach einem vorzeitigen Ende der Regierung zu kontern. „Dieses Bündnis kann leben, wenn sich alle verantwortungsvoll verhalten“, sagte zahlreiche Posten im Bundeshaushalt, ein Schritt, der in der jüngeren deutschen Geschichte ohne Beispiel ist. Während Ausgaben in diesem Jahr nicht betroffen sind, dürfen die Bundesministerien Zahlungsverpflichtungen für die kommenden Jahre nicht mehr eingehen. Allerdings sind auch Ausgaben aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds für das laufende Jahr blockiert. Lindners Vorgehen zeigt, dass die Regierung die Auswirkungen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts nunmehr deutlich dramatischer einschätzt als anfangs angenommen. 

    Die Karlsruher Richter hatten in der vergangenen Woche einen 60 Milliarden Euro schweren Sondertopf im Haushalt für nichtig erklärt. Das darin enthaltene Geld war als Corona-Kredit bewilligt worden, sollte aber nachträglich für den Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft eingesetzt werden. Inzwischen gibt es allerdings Befürchtungen, dass die Wirkungen des Urteils weit über diesen Sondertopf hinaus reichen könnten. Das Hauptproblem dürfte der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) werden, aus dem die Energiepreisbremsen finanziert werden. Die Regierung hätte damit Geld ausgegeben, das ihr gar nicht zur Verfügung stehen durfte.

    Die SPD stellt die Schuldenbremse infrage

    Völlig offen ist die Frage, wo nun Geld eingespart werden kann. Die SPD stellt die Schuldenbremse infrage - mindestens für das kommende Jahr, FDP und Teile der Grünen sind dagegen. Auch Wirtschaftsexperten zeigten sich bei einer eilig einberufenen Anhörung im Bundestag am Dienstag uneins. Unklar war auch, ob die Ampel die politische Kraft findet, um bei der auf Donnerstag vertagten Bereinigungssitzung zu Ergebnissen zu kommen. Nun will die Ampelkoalition die Sitzung sogar absagen. Ein entsprechendes Schreiben des Ausschusssekretariats lag der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch vor.

    Gleichzeitig wächst in der Union die Sorge um den gesellschaftlichen Zusammenhalt. „Den meisten ist noch gar nicht bewusst, was dieses Haushaltschaos für die Stabilität elementarer Säulen unseres Landes bedeutet“, sagt CSU-Landtagsfraktionschef Klaus Holetschek unserer Redaktion. Die Zukunft der Pflegeversicherung und der gesetzlichen Krankenversicherung, die Reform der Krankenhäuser, aber auch die Energieversorgung gerate ins Wanken, wenn verplante Zuschüsse nicht mehr fließen würden. „Damit ist die Verlässlichkeit des politischen Systems und auch der soziale Friede in unserem Land ganz akut gefährdet“, warnt er. „Es besteht die Gefahr, dass radikale politische Kräfte dadurch weiter gestärkt werden.“

    Die Gesellschaft hat Sehnsucht nach einem politischem Konsens

    In CDU und CSU machen Neuwahlszenarien die Runde. Man sei bereit, „in dieser dramatischen Notlage mitzuhelfen“, sagt Holetschek. „Im Zweifelsfall werden wir als

    In der Gesellschaft trifft die Union damit einen Nerv. „Ich kann mich nicht erinnern, dass eine Regierung jemals so schlechte Noten von der Bevölkerung bekommen hat“, sagt Manfred Güllner, der mit „Forsa“ eines der wichtigsten deutschen Meinungsforschungsinstitute führt. Zwar glaube noch immer eine Mehrheit der Bevölkerung, dass die Koalition bis zur nächsten Bundestagswahl im Jahr 2025 durchhält. Das habe sich auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht geändert. Gleichzeitig drängen viele auf eine Neuauflage der Großen Koalition. „Es gibt eine Sehnsucht nach einem politischen Konsens – gerade in diesen Zeiten großer Krisen“, so Güllner. 

    Nebenhaushalte sind keine Erfindung der Ampel

    Anders als in der Spätphase der Regierung Helmut Kohls Ende der 1990er-Jahre, als SPD-Mann Gerhard Schröder als Hoffnungsträger galt, drängt sich heute allerdings keine Alternative auf. Während Schröder damals in Kanzler-Umfragen auf 45 Prozent kam, schaffe es CDU-Chef Friedrich Merz als Oppositionschef heute gerade einmal auf 20 Prozent.

    Zudem stünde auch Merz vor einem Problem. Denn die Nebenhaushalte sind keine Erfindung der Ampel-Regierung: Der älteste stammt aus dem Jahr 1951 und förderte den Bau von Wohnungen für Bergarbeiter. Einer Aufstellung des Bundesrechnungshofs zufolge unterhält der Bund aktuell 29 Sondervermögen. Allerdings sind nicht alle durch Schulden finanziert. Unabhängig, wer daher regiert – der Richterspruch aus Karlsruhe gilt für alle. 

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