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FDP: Überraschungsgast

FDP

Überraschungsgast

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    Karlsruhe Die Delegierten hält es nicht mehr auf ihren Sitzen. Sie springen auf und jubeln laut. Der Beifall will kein Ende nehmen. Das war die Rede, die sie hören wollten, das waren die Worte, die ihnen vor den wichtigen Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen im Mai Mut machten, mitreißend, begeisternd, aber auch selbstkritisch. Die Delegierten sind begeistert, diese Töne geben ihre Stimmung wieder, der Redner trifft die Seelenlage der Partei. Nur, es ist nicht Philipp Rösler, den die 660 Delegierten der FDP am Samstagmittag in der

    Lindners 20-minütige Rede ist mehr als ein bloßes Grußwort, für viele Delegierte wirkt sie wie eine vorgezogene Bewerbungsrede für den Chefposten, wie ein Angriff auf den Vorsitzenden. Der 33-jährige Lindner will dem 39-jährigen Rösler zeigen, wie es geht.

    „Ich scheue mich nicht vor schweren Aufgaben, deswegen übernehme ich Verantwortung“, verkündet Lindner selbstbewusst und kämpferisch, ihn motiviere „die große Geschichte der FDP“, auch wenn es, wie er einräumt, „gegenwärtig Kritik und Häme und Spott gibt“. Es habe, wohl wahr, in den vergangenen zwei Jahren einen Verlust an Vertrauen gegeben, viele Bürger würden den Liberalen ihre Erfolgsbilanzen nicht abnehmen. Daher empfehle er „eine gewisse Bescheidenheit im Auftreten“ und dass die FDP „schon im Stil der Auseinandersetzung neue Akzente“ setze: „Wenn Selbstbewusstsein und Bescheidenheit zusammenkommen, dann heißt das Souveränität.“

    Der Parteichef, der seit genau einem Jahr an der Spitze der Liberalen steht und seitdem nur bittere Niederlagen bei Landtagswahlen zu verantworten hat, tut sich eine gute Stunde später seinerseits schwer, die Herzen der Delegierten zu erreichen. Rösler wirkt angespannt, als er ans Mikrofon tritt, der Beifall ist matt und müde. Und doch erweckt er vom ersten Satz an den Eindruck, dass er fest entschlossen ist, sein Amt zu verteidigen, den Vorsitz nicht kampflos preiszugeben. Bevorzugte er in Rostock noch die leisen Töne, schaltet er in Karlsruhe auf Attacke und nimmt, wie einst sein Vorgänger Guido Westerwelle, lautstark und im Stakkato die gesamte politische Konkurrenz ins Visier, zur Freude seiner Parteifreunde. „Bei aller Kritik, die uns Liberalen zurzeit entgegenschlägt, wir kämpfen auf der richtigen Seite für die richtige Sache“, macht er sich und der verzagten Basis Mut. „Auf uns kommt es an, weil sonst niemand auf der Seite der Freiheit ist.“ Die Linke träume von einer „Rückkehr in der DDR“ und bleibe ein Feind der Freiheit, die SPD lulle die Menschen ein und mache immer nur neue Schulden, die Grünen seien die „neuen Jakobiner“, „intolerante Eiferer einer ideologischen Lebensstildiktatur“, die Piraten missverstünden Freiheit nur als Kostenfreiheit und selbst die Union wisse nicht mehr um die Kraft des Wachstums. Alle anderen, so Rösler, seien „mehr oder weniger sozialdemokratische Parteien“, stünden für den „schwarz-rot-grünen Einheitsbrei“, der Deutschland zu ersticken drohe, „wenn wir nicht unsere liberale Stimme dagegen erheben“. So lässt auch Rösler den Saal johlen.

    Selbstkritisch spricht er dann von Fehlern und dass „ich das eine oder andere hätte anders machen oder auch besser lassen können“. Gleichwohl könne sich seine Bilanz sehen lassen. Denn es gebe nur eine Partei, die für Freiheit, Wachstum und ein schuldenfreies Deutschland stehe, eben die FDP. „Mit diesem Bekenntnis sind wir das gelebte Gegenmodell zu all den Miesmachern, den Pessimisten, den Fortschrittsskeptikern und Tugendwächtern in diesem Land.“ Die Delegierten sind begeistert, vier Minuten applaudieren sie, auf dem Podium nimmt Rösler die Glückwünsche von Rainer Brüderle, Birgit Homburger, Christian Lindner und Daniel Bahr entgegen, von Ehefrau Wiebke gibt es sogar ein Küsschen.

    In der Karlsruher Messehalle macht sich Erleichterung breit. „Hier herrscht keine Wechselstimmung“, sagt der Heilbronner Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Georg Link, zu unserer Zeitung. Man müsse endlich wieder weg von den „leidigen Personaldebatten“ und hin zu inhaltlichen Debatten. „Man gewinnt keine Glaubwürdigkeit, wenn man unter Druck von außen den Vorsitzenden austauscht.“ Rösler, so Link, habe seinen „eigenen Stil“ und in Karlsruher bewiesen, dass er auch kämpfen könne.

    Gleichwohl machen auf den Gängen und Fluren wilde Spekulationen die Runde, die Granden der FDP hätten sich längst auf eine neue Spitze geeinigt – mit Christian Lindner als Partei-, Dirk Niebel als Fraktionschef und Rainer Brüderle erneut als Wirtschaftsminister. „Vielleicht sehen wir uns schon bald auf einem Sonderparteitag wieder“, orakelt eine Delegierte düster beim Kaffee.

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