Es ist eine hauchdünne Mehrheit, mit der die FDP ins neue Jahr startet: Die Mitgliederbefragung gibt der Parteispitze zwar Rückendeckung für den Verbleib in der Regierungskoalition. Allerdings fällt das Ergebnis denkbar knapp aus und dürfte die Debatten innerhalb der Partei kaum beenden. 52,24 Prozent der Abstimmenden plädierten dafür, die Regierungsarbeit fortzusetzen, 47,76 Prozent wollten die Koalition verlassen. Zwar hat die Umfrage keine bindende Wirkung, sie gilt aber als wichtiges Signal vor allem an Parteichef Christian Lindner. Doch auch in der Ampel dürfte das Ergebnis mit Spannung aufgenommen werden.
„Das Ergebnis der Mitgliederbefragung erlaubt zwar eine Fortsetzung der FDP in der Regierung, ist aber auch ein deutlicher Warnschuss“, mahnt Frank Schäffler, FDP-Bundestagsabgeordneter und einer der deutlichsten Ampelkritiker, auf X (vormals Twitter). „Wir können nicht so weitermachen wie bisher. Die FDP muss klarer für ihre Positionen stehen und sich der ,Vergrünung‘ der Politik widersetzen.“ Vor allem wegen des sogenannten Heizungsgesetzes, aber auch wegen der Sparzwänge nach dem Verfassungsgerichtsurteil war es zuletzt zu heftigen Auseinandersetzungen gerade zwischen Liberalen und Grünen gekommen.
Mitgliederentscheid der FDP: Viele in der FDP hadern mit der Ampel
An der Parteispitze bemüht man sich dennoch seit Wochen, mit größtmöglicher Gelassenheit mit der Mitgliederbefragung umzugehen. Lindner spricht von einem "klaren Auftrag, im Regierungshandeln weiter liberales Profil zu zeigen".
Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki sagte: „Es ist ein gutes Ergebnis, denn es zeigt sowohl den Willen zum Verbleib in der Ampel als auch den Veränderungswillen.“ Am 6. Januar kommt die Partei zu ihrem traditionellen Dreikönigstreffen zusammen, auch dort dürfte die Abstimmung sowie die Zusammenarbeit in der Koalition Thema sein. Kubicki fordert: „Jetzt muss es darum gehen, alles dafür zu tun, die Freien Demokraten so stark zu machen, dass wir mit breiter Brust 2025 wieder in die Bundestagswahl gehen können. Das geht nur gemeinsam.“
In der Opposition blickt man kritischer auf das Resultat der Befragung. „Die FDP ist völlig zerrissen und damit dauerhaft nicht handlungsfähig“, sagt CSU-Generalsekretär Martin Huber unserer Redaktion. „Eine knappe Mehrheit klammert sich an den Machterhalt und verpasst damit eine Chance für den dringend notwendigen Neuanfang.“ Raus aus dieser Krise komme das Land aus Sicht der CSU nur durch Neuwahlen.
Nur ein Bruchteil der FDP-Mitglieder hat sich an Abstimmung beteiligt
An der Befragung beteiligten sich nur 26.058 der rund 72.100 FDP-Mitglieder – also nur etwas mehr als jedes dritte. Zwei Wochen lang konnten sie sich online beteiligen. Die Fragestellung lautete: „Soll die FDP die Koalition mit SPD und Grünen als Teil der Bundesregierung beenden?“ Geantwortet werden konnte mit Ja oder Nein.
Seit ihrem Eintritt in die Ampelregierung nach der Bundestagswahl 2021 hat die FDP massiv an Zuspruch verloren. In aktuellen Umfragen liegt sie nur noch bei 5 Prozent – bei der Wahl hatten ihr noch 11,5 Prozent der Wählerinnen und Wähler ihre Stimme gegeben. Seither flog die Partei aus mehreren Landtagen, die Unzufriedenheit vor allem an der Basis wuchs. Auch das Wahljahr 2024 droht schwer zu werden. Die Umfragen für die Landtagswahlen im Herbst in Sachsen, Thüringen und Brandenburg verorten die Liberalen bei drei bis fünf Prozent. Die Initiative für das Mitgliedervotum folgte auf einen offenen Brief von 26 Landes- und Kommunalpolitikern der FDP. Sie sehen die Ausrichtung der Partei vor allem durch notwendige Kompromisse innerhalb der Ampel gefährdet.
Doch Kompromisse werden den Liberalen auch 2024 abverlangt. Noch immer hängt der Etat für 2024 in der Luft. Im Januar soll der Haushaltsausschuss des Bundestags über notwendige Einsparungen und Einschnitte beraten, ein Beschluss im Bundestag ist für Ende Januar vorgesehen. Auch das Thema Migration dürfte weiter zu heftigen Debatten führen. SPD-Parteichefin Saskia Esken hat kürzlich dem Plan für eine Verlagerung von Asylverfahren in Länder außerhalb der Europäischen Union eine klare Absage erteilt.